Interview: SCHRAMM

SCHRAMM Interview zur Debüt-EP

SCHRAMM im Interview über seine Debüt-EP; Arno Geister

SCHRAMM macht endlich etwas für sich selbst: Am 19. August 2022 veröffentlichte der vielseitig begabte Wuppertaler seine Debüt-EP mit dem Titel “I made this for myself (I didn’t make it for you)”. Endlich macht SCHRAMM sein eigenes Ding und das Schreiben der neuen Songs war für ihn heilsamer Prozess. Er gibt einerseits extrem viel von sich selbst preis. Andererseits muss er den Schritt wagen, heraus aus dem Schattendasein. Endlich nur er und seine eigenen Songs. Es fühlte sich an wie eine Offenbarung. Kaum verwunderlich, dass die neuen Songs Energien freigesetzt haben, von denen er gar nicht geglaubt hätte, dass er sie besitzt.

„Wenn ich in Therapie gegangen wäre, hätte ich die EP wahrscheinlich nicht schreiben müssen. Hätte ich die EP nicht geschrieben, hätte ich in Therapie gehen müssen.

Musikalisch bewegt sich SCHRAMM stark in einem Bereich, den ich vor allem von The Strokes kenne. Diese lethargischen overlayten Gitarren und der wirklich abwechslungsreiche Stil-Mix der Genres. Indie-Rock, mit High-Fidelty Gitarren. So könnte man es umschreiben. So gestaltet er seinen Sound teils sehr roh, aber auch schon gut ausgetüftelt. „Off without me“ z.B. ist so ein Roh-Diamant. Die Message – mal davon abgesehen – ist super wichtig. Opfere dich nicht zu doll für andere auf, du wirst dich sonst selbst zu stark vernachlässigen.

Die EP mit ihren sechs Tracks ist so far ein Lichtblick. SCHRAMM agiert so selbstreflexiv und mit seinem Indie-Rock Sound für meine Begriffe am Puls der Zeit. Er schafft es sogar in „Mehr Zeit mit dir“ und „Streichholzmann“ ins Deutsche zu wechseln, ohne, dass ich damit fremde. Das passiert sonst leider allzu oft.

Du veröffentlichst am 19. August endlich deine allererste eigene EP. Wo würdest du deinen ersten EP-Release selbst zwischen
Befreiungsschlag und Emanzipierung einordnen? Und wie stolz bist du selbst darüber?

SCHRAMM: „Ich habe schon seit Jahren vor gehabt meine Songs endlich mal aufzunehmen und zu veröffentlichen. Und auch allen meinen Freund*innen andauernd davon erzählt wie gern ich das machen will. Die haben natürlich alle gesagt „Ja geil, mach mal!“ Dann habe ich meistens gesagt „Aber ich hab da gerade einfach keine Zeit für.“ – was teilweise vielleicht der Wahrheit entsprach, aber in Wirklichkeit einfach meine unbewusst gefällte Entscheidung war, wie ich meine Prioritäten lege. Befreiungsschlag fühlt sich nach einem etwas zu großen Wort dafür an. Ich bin aber sehr stolz drauf, dass ich mir jetzt endlich selbst den Gefallen getan habe meine Priorität auf das zu legen, was ich eigentlich die ganze Zeit wollte, und mir nur aus irgendeinem Grund selbst „verwehrt“ habe.“

Hatte es viel Überwindung bedurft, dass du den Schritt aus dem Schatten heraus wagst?

SCHRAMM: „Ja voll, das hat auf jeden Fall viel Überwindung gekostet! Ich bin aber auch echt dankbar sagen zu können, dass ich ein super supportive Umfeld habe, das mir immer bei allem gut zuredet, und hier und da vielleicht auch einen kleinen Schubs in Richtung kaltes Wasser gibt. Springen tu ich dann zwar irgendwie selber, aber ohne Leute wie meinen guten Freund Georg wäre es definitiv nie so weit gekommen.“

Deine Songs werden ja stark mit dem Sound von The Strokes in Verbindung gebracht. Gerade der Opener “I died when you asked me to go out” spielt sehr stark mit den Stilelementen der Band. In welchem Element würdest du dich selbst davon ganz klar davon abgrenzen?

SCHRAMM: „Das ist ein Vergleich mit dem ich sehr, sehr gut leben kann. Ich bin, wie sich vermuten lässt, großer Fan vom Sound der Strokes und habe das letzte Album „The New Abnormal“ letztes Jahr gefühlt auf Dauerschleife gehört. Bei „I died when you asked me to go out“ oder „When you’re gone“ sind auf jeden fall klare Parallelen erkennbar denke ich, auch wenn ich glaube dass meine Songs Arrangement- und Soundtechnisch nochmal ein bisschen verspielter sind als viele Strokes Lieder. Bei den anderen Songs auf der EP sind zwar auch immer Gitarren die tragenden Elemente, aber abgesehen von dem angezerrten Vocalsound steckt da nicht super viel Strokes drin würde ich behaupten. Teilweise sind meine Sachen postpunkiger, teilweise haben sie einen bisschen moderneren oder vielleicht noch poppigeren Sound.“

Über deine eigenen Gefühle zu singen ist einer der zentralen Dreh- und Angelpunkte in deinen Songs. Auch das muss sich ja wie eine Befreiung anfühlen und in gewissem Maße auch wie eine Art Therapie oder etwa nicht?

SCHRAMM: „Wenn ich in Therapie gegangen wäre, hätte ich die EP wahrscheinlich nicht schreiben müssen. Hätte ich die EP nicht geschrieben, hätte ich in Therapie gehen müssen. Was auf keinen Fall bedeuten soll, dass EPs schreiben ein Ersatz für Therapie wäre. Für mich haben die Songs großteils eher einen Tagebuch-ähnlichen Stellenwert eingenommen. Das Songwriting hat mir auf jeden fall in vielen Hinsichten sehr geholfen und hilft mir auch immer noch. Gerade wenn es darum geht meine eigenen Gefühle wahrzunehmen und ihnen Ausdruck zu verleihen – aber auch einfach die Tätigkeit an sich fühlt sich gesund und vielleicht auch ein bisschen therapeutisch an. Auch wenn Musik helfen kann Gefühle einzuordnen, bin ich mir ziemlich sicher, dass jeder Mensch – zumindest für eine Gewisse Zeit – in Therapie gehen sollte. Die Welt wäre sicherlich ein bisschen angenehmer.“

Die Musik wird Teil deines Ichs und andersrum. Wir dürfen bei deinen sechs Songs ein Teil deines authentischen Ichs sein. Führt
das unweigerlich auch zu einer größeren Verletzlichkeit, die du dich da auslieferst und wie kannst du mögliche negative Einflüsse abblocken?

SCHRAMM: „Mich verletzlich zu machen war nie so meine Stärke, das musste ich lange Zeit lernen und ich lerne es auch immer noch. (Vielleicht einer der Gründe warum ich so lang gebraucht habe, Musik zu veröffentlichen) Meist resultierte da glücklicherweise bisher aber mehr Gutes als Schlechtes draus – was mich eher antreibt weiter verletzlich zu bleiben. „Stay soft“ wie ein guter Freund jetzt sagen würde. Vielleicht gehört aber auch eine gewisse gelernte Naivität meinerseits dazu. Ich habe selten ein Gefühl dafür, ob jemand mir was böses will. Ich finde mich immer wieder in Konversationen wieder, bei denen mir im Nachhinein erst bewusst wird, dass mein Gegenüber gar nicht unbedingt so freundlich gestimmt war wie ich. In Extremfällen merke ich das natürlich schon, aber so aggressive Untertöne zu erkennen fällt mir oft schwer. Was Musik betrifft habe ich das Gefühl, dass ich selbst bisher mein härtester Kritiker bin, sodass alles was von anderen an möglichen negativen Kommentaren kommen könnte nicht mehr so sehr trifft. Meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden ist mir schon schwer genug. Aber mal schauen was da noch kommt, vielleicht ändert sich das ja noch. Ich habe einfach viel Glück, dass in meinem Leben viele Umstände zusammenkommen die überhaupt erst ermöglichen, dass ich mich verletzlich zeigen kann, ohne zu große Angst davor zu haben verletzt zu werden. Ich habe ein sehr sensibles und wertschätzendes Umfeld und das Gefühl mit all meinen Freund*innen über ihre und meine Gefühle – gute wie schlechte – sprechen zu können. Manchmal wenn ich mit Menschen außerhalb meiner Bubble längere Gespräche führe, bekomme ich danach das Feedback, dass sie selten so viel über Gefühle sprechen. Vielleicht bin ich manchmal aber auch einfach nur ein verkappter Hobbytherapeut.“

 

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