Interview: OEHL
OEHL MS Dockville Festival Special Interview
Ich werde ja am Sonntag über das MS Dockville Festival streunen. Meine Stimmung so kurz vor dem Open Air pendelt zwischen: Yes, endlich wieder Festival und endlich wieder in der Menge stehen. Die Kehrseite des Pendels schlägt aber so aus, dass ich lieber Sonntags aufs Festival will, weil dort alles entspannter zu sein scheint. RY X spielt, Girl in Red, Paris Texas und noch ein paar, die eher nicht so in Ekstase sind. Dann blitzte beim Studieren des Line Ups aber auch OEHL auf. Von seiner Zeit als Duo kannte ich die Songs noch. Ekstase ist hier vielleicht eher nicht so angesagt. Es erwartet einen ja eher urbaner Electro-Pop auf Wiener-Dialekt gesungen. Wobei der nicht so krass durchschlägt. Wer aber aus dem Süden kommt – so wie ich – erkennt das aber in aller Regel.
„Tatsächlich macht mir die Arbeit an der Musik so viel Freude, dass ich oft schon wenn die Sonne gerade aufgeht, im Sommer ist das schonmal gegen 05:00 morgens, wach im Bett liege und vor Aufregung nicht mehr schlafen kann.
OEHL wird am 26. August, also unmittelbar nach dem Gig auf dem MS Dockville sein neues Album „Keine Blumen“ veröffentlichen. Es soll um Tod, Trauer, Abschied und eher den Abgesang unserer Welt gehen. Euphorie für ein Open Air Festival klingt erstmal anders. Genau hier haken wir ein und mussten mit Ariel von OEHL über seine neuen Songs sprechen. In Hamburg scheint er sich verliebt zu haben und was wir auf dem MS Dockville von ihm erwarten können, erfährst du hier im Interview.
Du spielst kommende Woche auf dem Dockville Festival in Hamburg. Gibt es etwas, das ihr bzw. auch das euch direkt mit Hamburg verbindet?
OEHL: „Klar, Hamburg ist vermutlich meine Lieblingsstadt. Die nördliche Lage, das viele Wasser. Jahrhunderte von Reichtum schaffen auch eine Art verrückter Schönheit, gepaart mit einer rauen Kante und solchen Events wie dem Reeperbahn oder dem Dockville, und die meine Wochenzeitung kommt auch aus Hamburg zu meiner Haustür nach Wien…“
Endlich wieder live spielen und dann ist jetzt auch wieder voll Festival-Zeit. Hattest du Angst, dass vieles während Corona verloren gegangen ist und vieles nicht mehr so ist, wie es vor 2020 war?
OEHL: „Ich hab mein erstes Album Über Nacht 2020 zu Beginn der Pandemie herausgebracht, im Ausmaß eines Dockville ist das für mich also absolutes Neuland. Ich bin von vielen Menschen schnell überfordert und gehe privat so gut wie nicht auf Konzerte, aber im Kontext von Oehl bzw. Konzerten auf denen wir spielen sind Festivals sehr schön, oft kennt man andere Bands schon von anderen Festivals… Ich denk mir auch es nützt nichts alles mit der Zeit vor Corona zu vergleichen, das ist ein bisschen wie die alten Leute die immer noch alles von Euro in DM umrechnen, irgendwann muss man einfach akzeptieren dass sich die Welt verändert und das ist ok. Die gute alte Zeit ist doch ohnehin eine Illusion.“
Auf dem neuen Album “Keine Blumen” soll es ziemlich schonungslos und ehrlich zugehen. Müssen wir eigentlich viel öfter unverblümt auf das Leben schauen? Bewahrt uns das dann vor bösen Überraschungen?
OEHL: „Ach, die Schonungslosigkeit ist doch schon da, über so viele Themen wie nie wird ganz schön konfrontativ gesprochen: Rassismus, inklusiver Feminismus, Klimakrise. Wir nennen Menschen die ihr Leben lang brave Bürger*innen waren „Boomer“ und meinen das auch nicht nett. Wir fassen uns längst nicht mehr mit Samthandschuhen an, das ist in einer Zeit wie dieser sicher wichtig, sorgt womöglich aber auch für eine latente Grundaggressivität im Umgang miteinander. Auf Keine Blumen geht‘s zwar viel ums Sterben, aber für mich ist das mehr als einfach nur das, es geht auch um eine Übung im Verabschieden, von ökonomischen und ökologischen Standards, aber auch von bequemen gesellschaftlichen Privilegien, die längst überfällig sind. Die Texte sind vielleicht wie eine Massage: Die tut weh, aber gut. Die Musik hingegen muss gerade wegen der schweren Themen vor allem Freude beim Hören machen und ist bestenfalls so etwas wie eine Umarmung.“
Wie muss man sich dein Mindset vorstellen, wenn für dich ein neuer Tag ansteht? Lohnt es sich aufzustehen und weiter an seinem Traum zu arbeiten?
OEHL: „Tatsächlich macht mir die Arbeit an der Musik so viel Freude, dass ich oft schon wenn die Sonne gerade aufgeht, im Sommer ist das schonmal gegen 05:00 morgens, wach im Bett liege und vor Aufregung nicht mehr schlafen kann. Um die Zeit kann einen auch einfach niemand ablenken, da lohnt es sich nicht mal das Telefon bei der Hand zu haben. Das ist pures Glück für mich.“
Neue Songs über den Tod, den Abschied, den Abgesang auf das Leben. Klingt nicht gerade nach einer krachenden Open Air Party auf dem Dockville, oder doch?