Interview der Woche: Sebastian Hackel – „Ich bewundere, wie wir es schaffen, bei all der Rotation, noch halbwegs gerade aus zu gehen.“

Interview der Woche: Sebastian Hackel – „Ich bewundere, wie wir es schaffen, bei all der Rotation, noch halbwegs gerade aus zu gehen.“

Sebastian Hackel im Interview

Sebastian Hackel im Interview

Am 11.04 erscheint das neue und zweite Album von Sebastian Hackel „Tageszeitenkurier“. Wir vom Soundkartell haben uns vorab mit dem Singer-Songwriter unterhalten. Er spricht dabei über Blumensträuße, darüber was er dagegen tut um abzustumpfen und wovor wir am meisten Angst haben.

Soundkartell: In “Soll die Welt sich” thematisierst Du, dass wir uns zu sehr im Kreis
bewegen. Einfach etwas zu tun, ist doch überaus schwierig. Wenn nicht
sogar das schwierigste überhaupt oder?

Sebastian Hackel: „Ich bewundere vielmehr, wie wir es schaffen, bei all der Rotation, noch halbwegs gerade aus zu gehen, bzw. spreche ich an, wie schwierig es ist, da hinzugehen, wo man will, ohne schwindlig in der Ecke zu landen. Dafür muss man natürlich erstmal wissen, was man will. Das ist schon schwierig genug, wenn es aus allen Richtungen schreit, du kannst/ brauchst/ fühlst/ es gibt das und das. Hat man das gemeistert, heißt das wiederum noch lange nicht, dass man dann auch die Richtung einschlägt, bzw. sich überhaupt bewegt.
Ich habe das Gefühl, dass Kinder und alte Menschen mit all dem am besten zurecht kommen. Es braucht mehr Zutrauen für die gedanklichen, emotionalen und sozialen Freiräume der Menschen, mehr Platz für deren eigene Konstruktionen ihrer Welt.“

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Soundkartell: Woran liegt das? Daran, dass wir zu sehr Angst vor den Folgen haben?

Sebastian Hackel: „Angst, vor der Entscheidung, ja. Angst, zu verpassen. Ja, Zum Beispiel. Vor allem aber, denke ich, Angst vor der Verantwortung für etwas, was man nicht einschätzen/ erfassen kann. Wir denken zu viel nach, klar. Vielleicht reicht es, sich mal an die eigene Kindheit zu erinnern, dann kommt man auf den Unterschied, der macht, dass wir “taumeln, um gerade zu gehen”.“

Soundkartell: Meinst du nicht, dass wenn jeder einfach das tut, wonach ihm gerade ist
und bevor er nicht lange daran gezweifelt hat bzw. darüber nachgedacht,
das einfach zu tun, die Welt eine chaotischere Welt wäre?

Sebastian Hackel: „In vielerlei Hinsicht schon, ja. Aber es hat auch wahnsinnig großes Potential, etwas explosives (im positiven Sinn). Entscheidend ist die bewusste Wahrnehmung der und Auseinandersetzung mit der schon immer gegenwärtigen Pluralität, daraus resultierend der Dialog.“

Soundkartell: Am 11.04 erscheint “Tageszeitenkurier”. Worum geht es da bei dem Albumtitel?

Sebastian Hackel: „Ehrlich gesagt wurde der Titel aus einem Versprecher geboren, oder hat sich jemand verhört? Wie auch immer, er tauchte plötzlich auf und ich wusste nicht, was er bedeuten soll. Und die Chancen, herauszufinden, was ein Tageszeitenkurier ist, was dieses Wort bedeutet, erhöhen sich, je mehr Leute darüber nachdenken… Klingt zumindest logisch für mich. Das gleichnamige Lied auf dem Album, ist auch eines derer, die mir ganz oben auf dem Herzen liegen.“

Sebastian Hackel im Interview

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Soundkartell: In den vierzehn Titeln singst Du ausschließlich auf Deutsch. Warum hast Du dich für die deutsche Sprache entschieden?

Sebastian Hackel: „Ich habe zwar Spanisch, Englisch und Französisch gelernt, besuchte den Leistungskurs in Englisch, und würde schon sagen, dass mir Fremdsprachen immer leicht gefallen sind, bis auf das Vokabelnpauken, das bedeutete Fleiß, und den hatte ich nicht. Aber ich kann mich in der deutschen Sprache einfach am besten ausdrücken. Ich muss nicht überlegen, ich kann mit ihr spielen. Das fasziniert mich. Und spielen macht bekanntlich am meisten Spaß.“

Soundkartell: Eigentlich bist du ausgebildeter Erzieher oder? Inwiefern versucht du auch mit Deiner Musik und mit Deinem zweiten Release deine Zuhörer zu erziehen?

Sebastian Hackel: „Ich stehe grad kurz vor dem Abschluss der Ausbildung und müsste eigentlich für die Prüfungen lernen. Im Sommer habe ich das Papier, ja. Aber das wird auf unbestimmte Zeit erstmal im Schreibtisch landen. Ich will Musik machen. Und mit meiner Musik erziehe ich nicht, ich rege im besten Fall die Leute an, sich mit diesem und jenem Thema auseinanderzusetzen, ich konfrontiere sie mit ihren eigenen Bildern, die sie entwickeln, wenn sie die Musik hören, mich sehen. Die Musik entsteht ja selbst, aus meinen eigenen Bildern… die schmeißen wir dann alle zusammen, klappen unsere Poesiealben auf und tauschen, was das Zeug hält.“

Soundkartell: Wenn du eine Eigenschaft an der Menschheit mit einer einfachen
Erziehungsmaßnahme zum guten verändern könntest, welche wäre das?

Sebastian Hackel: „Das wäre das Nachlassen/ Abstumpfen von Neugier und Begeisterungsfähigkeit, mit der Zeit, dem Erwachsenwerden. Wobei das natürlich und zum Glück nicht auf jeden Menschen und jede Gesellschaft/ Kultur zutrifft. Es ist vielleicht ein Luxusproblem, aber ich würde es gern beheben.“

Soundkartell: Die Entwicklung des deutschen “Singer-Songriter-Tums” hat sich seit Tim Bendzko, Poisel, Pohlmann & Co in gewisser Weise verändert. Zudem kommen
immer wieder zahlreiche Künstler nach. Wie schaffst du es da dich aus
der Masse heraus zu heben?

Sebastian Hackel: „Schaffe ich es denn? Das müssen die Leute, die auf mich aufmerksam werden beantworten und das ist auch schnell getan. Ich habe mir fest vorgenommen, das zu machen, was ich am besten kann. Und damit sage ich nicht, dass ich ein super Musiker/Sänger/Texter/usw. bin. Und entscheidend ist für mich auch, dass ich dazu stehe, daran glaube und meinen Weg gehe, wie auch immer er aussieht. Und da sind wir an einem Punkt… mein Weg (was ich mache mit/auf ihm), meine Musik und ich, wir sehen uns nicht mal im Ansatz ähnlich. Und ich finde, das ist auch vollkommen in Ordnung so.  Auf meinen Konzerten, könnten die Menschen unterschiedlicher nicht sein… und das ist der Spiegel…, in den ich gerne schaue, und der das Wesentliche für mich erklärt, die Frage beantwortet.“

 

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Soundkartell: Wir haben gehört, dass du die meiste Zeit barfuß durch das Leben
schreitest, um deine Umwelt bewusster wahrzunehmen. Gibt es nicht
Momente, in denen dir die Umwelt zu bewusst wird und dich das zu sehr
mitnimmt?

Sebastian Hackel: „Gehört also… hört man das in meiner Musik?
Wenn es warm ist, und wenn ich Lust habe, laufe ich sehr gern barfuß, ja. Also die meiste Zeit im Sommer. ? Das bedeutet für mich einerseits Freiheit und auch eine Art Flashback der Zeit, in der wir als Kinder den ganzen Tag im Freibad, oder am See verbrachten. Ich fühle mich wohl, mit nackten Füßen. Hausschuhe hat man mir als Kind nur hinterhergetragen, bis heute, würde sie mir heute noch jemand hinterhertragen.
Die Wahrnehmung, ja. Ich genieße es, direkten Kontakt zum Boden, zur Welt zu haben. Handschuhe tragen wir doch auch nur im Winter, oder wenn es kalt ist. Den ganzen Tag und überall mit Handschuhen rumlaufen und alles machen, wir würden doch verrückt werden. Und so ist es mit den Schuhen auch, ich brauch und will die nicht, wenn es nicht sein muss.
Wenn ich zu viel Nachrichten höre, oder Zeitung lese, dann wird mir manchmal die Welt zu bewusst und das nimmt mich leider öfter mit, überfordert mich und macht mich hilflos und wütend, als dass mich das mit freudiger Faszination und Hingabe erfüllt.“

Soundkartell: Drei Dinge, die du tagtäglich tust, um nicht allzu sehr abzustumpfen.

Sebastian Hackel: „Musik machen, mich belohnen, wenn ich was geschafft/ geschaffen habe und mich mit anderen unterhalten und zumindest in Gedanken mit den Worten und Sätzen jonglieren, die da fallen.“

Soundkartell: Wäre dein neues Album ein Blumenstrauß, den du von einem wilden Feld
pflücken würdest, aus welchen Blumen/Pflanzen würde der Strauß bestehen?

Sebastian Hackel: „Puh, keine Ahnung… Sonnenblumen, Lavendel, Rosen, hm…
Ich kenne mich mit Blumen nicht aus, aber es wären Pflanzen/Blumen, die jeder kennt wenn er sie sieht und riecht, nur plötzlich mit ganz anderen Augen nochmal/ weiter kennenlernt und zu schätzen weiß.
Frisches Wasser, das ist wichtig. Sie stehen in frischem Wasser. Sie können aber in diesem frischen Wasser auch so überall mit hingenommen und geteilt werden. Eine Art Frischhalte-Vase-to-go.“

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