Was ist los mit Rap?

Dicke Eier, Flausen im Kopf und Aggro – Was ist los mit Rap?

Was ist los mit Rap?; Fotocredit: Kirill

Was ist los mit Rap?; Fotocredit: Kirill

Jetzt am 04. September erschien mit “VI” das sechste Album des Berliner Rappers Sido. Die Platte läuft wohl bei einigen rauf und runter. Da frage ich mich doch wo gerade unser Rap in Deutschland steht? Es folgt eine Annäherung meinerseits und eine Aufforderung an Euch. Ich möchte von Euch wissen: Wie seid ihr mit HipHop aufgewachsen? Welchen Künstler hört ihr aus dem Genre heute (ganz ehrlich!)? Was ist Euch wichtig, wenn ihr einen Rapper hört? Wie steht ihr zu aktuellen Kommerzialisierung und zur Intellektualisierung?

Auf meine Weise habe ich mich in den letzten Jahren dem Rap angenähert. Ich weiß genau: Vor gut zehn Jahren hätte ich damals in der 5. oder 6. Klasse keinen Rap gehört. Der war viel zu ordinär. Viel zu prollig und einfach zu “assi”. Meine Schulfreunde haben schon früh Bushido und Frauenarzt (also seine alten Sachen!) gehört. Ich war da nie dabei, auch weil meine Eltern das wohl nicht gewollt hätten, wenn ich das über meine Stereoanlage hätte laufen lassen. Dann wäre wohl gleich mein Papa ins Zimmer gekommen und hätte mich gefragt: “Was geht denn hier ab? Was ist das denn für Musik?”

 

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Heute ist das anders. In den letzten Jahren habe ich mich Schritt für Schritt dem Genre angenähert. Das lief damals wirklich über Sido, also über Alben wie “Ich Und Meine Maske” oder “Aggro Berlin”. Dadurch durchlief ich geradezu eine Sozialisation was Deutsch-Rap oder deutschsprachigen HipHop anging. Ich kann mich gar nicht mal an alle Künstler erinnern, die ich früher mal gehört habe. Da wäre noch Samy Deluxe, Die Beginner oder Das Bo. Damals war der HipHop noch für mich dazu da, um zu protzen. Um ehrlich zu sein war das schon so. Man hat sich halt zwanghaft in ein Genre reingehört, zu dem man eigentlich keinen Zugang hatte. Ich bin ein absoluter Indie-Fanatiker und bin sozusagen mit den Arctic Monkeys aufgewachsen. Ich weiß noch wie ich damals einem meiner besten Freunde, dem Matthias, die Monkeys gezeigt habe. Das war 2005, vor zehn Jahren.

Aber Rap und HipHop kam erst ganz spät. Und die Annäherung kam schleichend. Über all die Jahre hinweg haben es sich Rap und HipHop bequem gemacht. Rap und HipHop haben direkt Platz genommen in unseren Wohnzimmern. Wir hören so viel HipHop und Rap wie schon lange nicht mehr.

Jeder kennt heutzutage Musiker wie Cro, SDP, Samy Deluxe, oder Die Beginner. HipHop ist heute ganz oben in den Charts. Er ist salonfähig geworden und das durch eine gewisse Weichspülung würde man meinen. Durch eine Anpassung an den Kommerz, den Mainstream. Die gestandenen Künstler wie Sido, Cro, Motrip oder wie sie alle heißen, wissen eben wie es geht. Sie wissen auch, dass sich im deutschsprachigen Rap und HipHop einiges getan hat. Dass die Fans empfänglicher geworden sind für die Texte, für die Geschichten über die gebrochenen Schicksale, über den fatalen Staat oder über das eben, was die Menschen so beschäftigt. Klar könnten sie auch einfach Revolverheld hören. Tun sie auch. Aber Rap ist deutlich cooler.

Eine These wieso Rap so in der Mitte der Musik-Gesellschaft angekommen ist, wäre für mich, dass bestimmte Themen wie Drogenmissbrauch, die ganzen tragischen Schicksale und der Hate den man eben so hat, mitten bei uns angekommen sind. Es sind keine Tabus mehr. Früher war Rap noch krass sexistisch und frauenfeindlich. Schaut Euch doch mal die alten Sachen von Frauenarzt an! Wie es da abgeht und keiner beschwert sich heute, was er macht. Nämlich Kohle.

Rap ist einfach ein Gut der Musikbranche geworden, mit dem so massenhaft gehandelt wird, wie mit Pop. Mit Rap und auch mit dem der gerade ja aneckt, lässt sich vermutlich noch ordentlich Geld verdienen.

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Zurück zu Sido und seinem neuen Album “VI”. Da habe ich mich schon gefragt, wo stehen wir denn da? Die Stimme ist unverkennbar, er schreibt mit “Astronaut” einen Track mit Andreas Bourani aus Augsburg, rapt über seine Flausen, über Drogenmissbrauch, über Selfies und Hashtags. Und das so wie wir heute eben so reden. Mich fixen die Texte auch heute noch an keine Frage. Es ist Alltagssprache geworden irgendwie. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass Sido so sein möchte wie früher. Ohne Maske, aber mit seinem Block, mit Carmen und er möchte natürlich gekauft werden. Features mit Antoine sind da natürlich ultra lustig und angebracht. Ich persönlich finde das Album ziemlich gut. Ich bin eben genau in der Schnittmenge seiner Zielgruppe. Diejenigen die ihn von früher kennen und diejenigen, die seine neuen Tracks mitten im Mainstream kennen. Da frage ich mich doch warum zur Hölle produziert er mit einem 0815-Mainstream Künstler wie Andreas Bourani oder Mark Forster. Wie geht das zusammen?

Aktuell hänge ich in einer ganz anderen Rap-Schiene ab. Da finden sich Umse, Pimf, Gerard, Chefket, Disarstar, Fatoni, Grämsn, Edgar Wasser und viele mehr.

Deshalb nun die Frage an Euch:
Ich möchte von Euch wissen: Wie seid ihr mit HipHop aufgewachsen? Welchen Künstler hört ihr heute noch immer (ganz ehrlich!)? Was ist Euch wichtig, wenn ihr einen Rapper hört? Wie steht ihr zu aktuellen Kommerzialisierung aber auch zur Intellektualisierung?
Was missfällt Euch an der aktuellen Entwicklung? Was wolltet ihr schon immer mal loswerden?
Erzählt mir Eure Geschichten und ich veröffentliche sie! Oder schickt mir ein Foto von Eurer liebsten HipHop/Rap-Platte!
Schreibt mir eine Mail an soundkartell@gmail.com, kommentiert diesen Beitrag, schreibt auf Facebook oder auf Twitter mit dem Hashtag #rapmusik

Eine Antwort zu “Was ist los mit Rap?

  • Eine erste Geschichte gab es am Wochenende von einem anonymen Nutzer:

    „Angefangen hat es eigentlich mit dem Besuch eines Freundes aus Köln: Er hatte ein Tape mit dabei, eine echte Kassette (ja, zu meiner Zeit gab es das noch). Darauf war deutscher Rap zu hören, der ganz anders war als das bisher gehörte. Nicht so popig wie die Fanta 4, aber auch nicht so verkopft wie Freundeskreis seiner Zeit. Nein, es war irgendwie amerikanischer, derbe, roher und richtig geil. Das was ich da zu hören bekam, waren die Spezializtz mit G.B.Z. Oholika. Gott, die Sache hab ich wirklich hart gefeiert. (Solltet ihr unbedingt mal reinhören, falls ihr´s nicht kennt.

    Das war mein erster, bewusster Berührungspunkt mit dt. HipHop: So hat es angefangen. Es muss irgendwie noch Ende der 90er gewesen sein. Und dann irgendwann wurde deutsche r HipHop irgendwie allgemeinverträglich: Die ersten deutschen Sachen waren in den Charts.

    Afrob und Ferris MC mit Reimemonster. Puuh, Legendenstatus. Die alten Platten von Massive Töne haben wir damals in unseren Kinderzimmern und später im Auto rauf- und runtergespielt. Die ganzen Sachen, die damals aus Hamburg kamen: Vor allem die Absolute Beginner und Samy Deluxe haben dafür gesorgt, dass wirklich JEDER irgendwann auch meinte: Yeah, dieses HipHop-Ding, das ist gar nicht mal so übel.

    Wenn ich jetzt überlege, welche Platten ich so bei mir zu Hause stehen habe: Die Liste wäre lang. Leider habe ich auch nicht mehr alle CDs, da viele bei legendären Parties einfach verschollen sind. Ja, manchmal musste man einfach dafür sorgen, dass auch die richtige Mukke gepumpt wird.

    Aber ich versuch mal aufzulisten, was ich damals so gehört habe: Absolute Beginner, EinsZwo, Feinkostparanoia, Nico Suave, Dynamite Deluxe später Samy Deluxe, Moses Pelham, Prinz Pi, Kool Savas, Plattenpapzt, Cora E, Torch, Blumentopf, Azad, Curse etc pp

    Der deutsche HipHop hat mir durch die Pubertät geholfen. Ich konnte mich mit den Jungs identifizieren. Sie waren gegen das System, gegen das spießbürgerliche Leben und wollten einfach nur Spaß haben und ab und an ein wenig Sozialkritik betreiben. Super Sache, vor allem wenn man gerade in einer ähnlichen Phase steckt.

    Auch ich musste oft mit meinem Vater diskutieren, warum ich denn solche Texte (vor allem die mit explizit Lyrics) höre und was denn daran gut sei…Heute würde ich wahrscheinlich nicht mehr so leidenschaftlich mit ihm diskutieren (können)

    HipHop höre ich bis heute gerne. Am Liebsten auch mal Klassiker, die mich an vergangene Zeiten denken lassen. Vermutlich einfach nur, um in Erinnerung zu schwelgen.

    Auch mit den neuen Sachen habe ich mich beschäftigt: Sido ist meiner Meinung nach immer noch absolut hörbar. Auch wenn sich sicherlich über seinen Flow und die Einfachheit der Reime streiten lässt.
    Kool Savas kann ich mir ebenfalls immer noch anhören. Er ist seinem Stil treu geblieben und ist einfach echt gut!

    Mit den neueren Sachen werde ich teilweise aber nicht wirklich warm: Zu den neueren „Gangsta“-Rappern (Kollega, Haftbefehl und Co) finde ich aber nicht wirklich einen Zugang. Vielleicht bin ich dafür zu alt? Oder ich mach mir als Vater einer Tochter mittlerweile Sorgen, dass meine Tochter später einmal so eine (teils) frauenverachtende und gewaltverherrlichende Musik hört…

    Eine Erklärung habe ich nicht. Alles in allem: Ich höre immer noch gerne deutschen Rap. Aber nur, wenn ich auch den Zugang dazu finde. Und das ist mittlerweile leider nicht mehr immer der Fall.“

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