Murena Murena
Murena Murena Interview – „Shame Over ist eine lustige traurige Platte.“
Am 15.04 veröffentlicht Murena Murena ihr neues Album „Shame Over“. Da sie einen ziemlich verrückten Sound machen, wird es mal Zeit, dass wir ihnen ein paar Fragen stellen.
Soundkartell: Murena Murena. Bis vor Kurzem habe ich noch nie etwas von Euch gehört. Stellt Euch doch mal kurz vor.
Murena Murena: Meine Damen und Herren, ich bin Daniel Murena, stelle die Band vor und beantworte die Fragen in diesem Interview, außerdem bin ich Gitarrist und Sänger bei Murena Murena und arbeite als Livemusiker an diversen Theatern hier und da, in Europa. Tagar ist der Gitarrist der Band (oder Schlagzeuger, wenn wir als Duo auftreten), er spielt unter anderem auch bei „das Weiße Pferd“ und „Friends of Gas“. Albert Pöschl unser Bassist führt das Label/Studio Echokammer, außerdem spielt er bei den „Grexits“(unserer zweiten gemeinsamen Band), dem „Weißen Pferd“, „Queen of Japan“ und gefühlsmäßig 25 weiteren substanziellen Bands. Dizzy Errol, der bei uns Schlagzeug spielt ist ein bunter Hund und mit seinen Soloalben und neuerdings „die Lore aus München“ beschäftigt. Uns alle eint die Nähe zur Vorgängerband von „das Weiße Pferd“ „Kamerakino“, mit deren Sänger Pico Be ich eine Spoken Word Band mit dem Namen „Camion“ betreibe.
Am 15.04 ist für Euch Release-Day. Dann erscheint Euer neues Album “Shame Over!” Für was schämt ihr Euch derzeit ganz öffentlich?
Sicher nicht für „Shame Over“, aber schämen muss man sich derzeit tatsächlich für etliches das ganz öffentlich stattfindet, allem voran für die zunehmende „Überfremdung“ durch rechtsradikale „Angstbürger“ und deren politisches Wirken, außerdem daß im Mittelmeer Menschen ertrinken und daß die Überlebenden im Schlamm an Grenzzäunen hausen. Die Liste könnte man ohne langes Nachdenken fortsetzen…Bei „Shame Over“ geht’s aber nicht um’s sich schämen, sondern im Gegenteil vielmehr um Emanzipation von der „Schande“ und den Schuldgefühlen, die man als Außenseiter in einer Gesellschaft zwangsläufig bekommt, weil man vermeintlich nichts relevantes beiträgt und der Mehrheit zur Last fällt. Man denke nur an eben diese Flüchtlinge (egal, ob vom Krieg oder Armut,verfolgt), die so viel auf sich genommen haben, Behinderte, die sich ihren Alltag organisieren oder Kinder, die ohne Familie aufwachsen. Alles „Bittsteller“. Im Vergleich zu diesen Menschen haben wir großes Glück und können tun, was wir lieben. Trotzdem kommt man sich als Musiker oder Künstler in einer Stadt, wie München ziemlich an den Rand gedrängt vor. Ständig ist man auf der Suche nach neuen Zwischennutzungen, was nicht gerade das Gefühl von Teilhabe auslöst. Shame Over ist für all diese Personen. Es ist unsere Welt und keiner kann sie uns nehmen.
In der Presseinfo, die ich zum Album bekommen habe, habe ich nur relativ wenig beim ersten Lesen kapiert worum es in Eurem neuen Album geht. Was erwartet uns denn bei “Shame Over!”?
SHAME OVER ist eine lustige traurige Platte, ein Dschungel, eine Tiefseewelle oder eine Horde unbeaufsichtigt spielender Kinder.
Ich kenne so viele lahme Garage Punk und Rockabilly Bands, daß ich mir nicht denken möchte, was sich mein Gegenüber vorstellt, wenn ich ihm sage, daß sich unsere Musik hauptsächlich aus diesen Genres zusammensetzt. Deshalb haben wir uns, kontroverse Genrebezeichnungen überlegt, die unsere Vorlieben für Film und Musik vereinen. So zum Beispiel Horrorsoul oder Pop Noir: Man stelle sich vor: Otis Redding singt den Soundtrack zu „Night of the living dead“ oder einfacher man hört sich „I put a spell on you“ von Screaming Jay Hawkins an. Da bekommt man schon ein ganz gutes Gefühl, was das heißen könnte.
Der Opener “Newsflash Apocalypso” verschreckt schon ein bisschen das Indie-Pop Gedudel verwöhnte Ohr oder?
Schön zu hören, haha…. Wobei da kein Kalkül dahinter steckt. Allerdings sind unsere „Indie Pop Götter“, wie Suicide, Cramps, Birthday Party oder Pussy Galore bestimmt nicht unschuldig an dieser „Verschreckung“. Mir ist es wichtig, das was mich damals, als 16 Jähriger dazu bewogen hat Musiker zu werden und mich vor vielem bewahrt hat, weiter zu transportieren. Heute kann man sogar von einem „aufgeschlossenen“ Indiepublikum schräge Blicke ernten, wenn man Platten von arrivierten Heros, wie Little Richard, Hasil Adkins oder Son House auflegt. Umso wichtiger ist es den allgegenwärtigen „schönen Dingen“ einen Schuß „Hässlichkeit“ zuzusetzen. Schmeckt’s nicht erst dann richtig aufregend gut, wenn man es nicht komplett analysieren kann? Liebt man nicht eine Person, weil man einen kleinen Teil an ihr nicht versteht? Als ich zum ersten Mal „the Jesus Lizard“ gesehen und gehört habe, bin ich aus allen Wolken gefallen. Kann man denn sowas machen ? Ist das nicht zu peinlich ? Ich weiß es immer noch nicht und genau deshalb liebe ich diese Band.
Murena Murena, das ist ziemlich durchgeknallter Rock’n’Roll oder wo seht ihr Euch selbst?
Ein Kompliment, das zu hören… Nur kann man von sich selbst sowas nicht sagen, wenn nicht gerade einer der zahllosen, ganz normalen, „total verrückten Typen“ ist.
Wir sind sicher nicht durchgeknallt, aber wir hegen eine große Faszination für Abgründiges und die leben wir hemmungslos aus. Um es mit Jon Spencer zu sagen: „Rock’n’Roll is strange, crazy music“ das trifft zu.
Ich hab’ Euch ja noch nie live gesehen – leider. Aber wie setzt ihr Eure Musik mit den wirren Stories um die Musik herum live um?
Die meisten Bands betreten die Bühne, um ihre Stücke ziemlich eins zu eins, wie geprobt zu präsentieren. Wir sind da sicher keine Ausnahme, wir gehen genau mit diesem Vorsatz zum Soundcheck, wobei unsere Shows dann, idealerweise eine Party mit dem Publikum werden und Band und Publikum sich gegenseitig mitreisen. So wird die Musik viel stärker durch die Emotionen des Publikums gelenkt, als man sich das im Übungsraum denken konnte und das erweckt sie zum Leben und lässt sie im Extremfall außer Kontrolle geraten. Wenn das passiert ist es wunderbar.
2014 kam Eurer Debütalbum “Ghoaster Coaster” raus. Welche Entwicklung seht ihr selbst?
Ghoaster Coaster war der Versuch über eine klangliche „Kindergeisterbahn“ einen ganz persönlichen wirklich harten Schicksalsschlag zu „entzaubern“ und zu verarbeiten. Musikalisch ist das ein Live Rockabilly Punkalbum geworden, aufgenommen von Joe Masi im Eternal Peace Studio, das leider nicht mehr existiert.
Shame Over knüpft an einige Stimmungen des Vorgängers an, ist aber für unsere Verhältnisse poppiger und trockener produziert. Vieles ist weniger nervös. Der Bass steht weiter im Vordergrund. Es rollt mehr. Das liegt bestimmt auch daran, daß es ganz anders aufgenommen wurde. Die Grundtakes entstanden an diversen Orten in München und während Theaterproben in Paris und Kopenhagen… Die Drum Takes, Bässe und andere Overdubs kamen dann im Echokammer Studio hinzu. Thematisch geht es um die globalen Ereignisse, die uns jeden Tag begegnen und sich wiederholen:
Newsflash Apocalypso, Peace, Wardrugs, Fossil Fuel… Aber auch ganz persönliche (wahre) Geschichten: Le Van’s Wife, Lovely Homes, Drag Race,..
Wie schwer haben es Eurer Meinung nach kleinere noch unbekannte Bands aus Bayern in die Öffentlichkeit zu kommen?
Hm, das kommt schon auf die Musik an. Wenn man Musik für den bayerischen Markt produziert und gut darin ist, dürfte es ein etwas einfacheres Unterfangen sein, wenigstens in Bayern Aufmerksamkeit bei den Rundfunk und Fernsehanstalten und folglich beim Publikum zu bekommen. Für Bands mit internationalerer Ausrichtung ist es nicht zwingend von Vorteil aus Bayern zu kommen. Ob da das Bier und Fußball Image eine Rolle spielt? Bestimmt nicht hauptsächlich. Notwist haben es da raus geschafft.
Wo seht ihr denn noch Potential, bzw. was könnten und sollten Medien wie egoFM, PULS, die SZ noch besser machen?
Mir würde es schon gefallen, wenn sich Medien mutiger in ihrer Berichterstattung entscheiden und nicht so sehr am Standard orientieren würden. Mir scheint da teilweise die Angst Fehler zu machen größer, als die Neugierde. Mir würde ein Journalismus gefallen, der sich auf die Suche nach Neuem, auch nach neuen Bezeichnungen begibt… Tatsächlich gibt’s da ja einige Leute bei den genannten Medien, die das versuchen. Allerdings seltener im Feuilleton, sondern eher in den Nischen. Das Problem ist aber sicher auch, daß die Budgets, die Journalisten zur Verfügung haben heutzutage ziemlich begrenzt sind.
Vervollständigt den letzten Satz: Murena Murena sind ihre Facebooklikes auf ihrer Fanpage schnurz piep egal, weil…
es so nicht stimmt. Hinter „unseren“ Likes stehen echte Personen und wir freuen uns über jeden in unserem „Kosmos“. Ansonsten trifft der Satz zu, denn es wird Menschen geben, die Musik mit Substanz hören werden, wenn Facebook mit allen Likes längst auf dem digitalen Schrottplatz rottet.
MURENA MURENA – Le Van’s Wife from Tobias Yves Zintel on Vimeo.