Interview: Neuschnee
Neuschnee im Interview & Feature
„Der Lärm der Welt“ ist möglicherweise Neuschnees letztes Album. Für Hans ist dieser Schritt aber eher eine Befreiung, als, dass er sich selbst dabei zu viel Druck ausüben würde. Die Produktion des Albums hat ihm viel Kraft abverlangt und viele Ressourcen gekostet. Für ihn ist dieses Werk ein perfekter Schlusspunkt seiner Karriere unter Neuschnee. Dass sich Hans Wagner dann aber mit einem geradezu meisterlichen Werk verabschieden möchte, kann uns als Zuhörer:innen nur in höchsten Tönen erfreuen. Hans wandelt hier wieder gekonnt zwischen zwei Welten: Witz und Poesie.
Wir hängen ja irgendwie auch alle zusammen, ob wir wollen oder nicht.
Es geht um das Leben, das nur seltenst nach Plan verläuft. Es geht um die dramatischen Leben innerhalb unserer Gesellschaft. Es geht um Wut, darum, dass sich ja so gut wie nichts verbessert. Die Welt verschlimmert sich ja nur noch und wir taumeln von einem in den nächsten Konflikt. Dass sich das Streichquartett und Pop hier die Hand geben, macht für die altmodischen Hörer:innen noch für Verwunderung sorgen. Aber Hans schafft es hier in 11 Tracks, dass man selbst darin aufgeht. Seine Songs sind verträumt, strömen viel Melancholie aus und versuchen uns wiederum aufzumuntern.
Hans, “Der Lärm der Welt” ist voraussichtlich dein letztes Album unter Neuschnee so in dieser Form. Wie fühlt sich dieser letzte “Akkord” mit Hilfe von 11 neuen Tracks für dich an und wie hört es sich vor allem an?
Neuschnee: „Es fühlt sich befreiend an, und es ist ein guter Abschluss. Ich habe mir mit dem Album ein Kindheitstraum erfüllen können (ein sinfonisches Poplied zu schreiben, aufzuführen und aufzunehmen). Inhaltlich geht es ums Sterben . Mehr Abschluss geht eigentlich nicht. Jetzt geht es auf zu neuen Ufern. Es ist für mich nochmal ein Album-Album, ein Format, dass durch die veränderten Hörgewohnheiten des Streamings im Aussterben begriffen ist. Sagt jedenfalls mein Gefühl. Ich habe mir viel Mühe gegeben, jedes Lied in sich rund zu machen, aber auch zueinander passend, so dass das bestenfalls eine lange Reise ist. Eine Freundin hat die Klangwelt spontan beschrieben mit „Safe-happy-leck mich am Arsch und komm zurück“-Welt. I can relate to that.“ 🙂
Die Songs auf deinem neuen Album bestehen aus ganz vielen pointierten, aberwitzig einfachen kurzen Textbausteinen. Im Album wohnt wohl eine Einfachheit inne, die dir umso mehr Kraft & Energie abverlangt hat. Warst du selbst von dir überrascht, dass es diese Kraftanstrengung für die neuen Songs bedurft hat?
Neuschnee: „Nein, gewundert nicht, denn ich kenne mich und habe bei diesem Album auch nahezu alles selber gemacht, was die Produktion angeht. Also Aufnahmen, Mixing, Mastering. Das kostet natürlich auch Zeit. Und ich tauche dabei so tief hinein in den ganzen Prozess, dass ich gelernt habe, immer wieder Pausen zu machen, um mit Abstand hören zu können. Bis zu dem Gefühl:„Jetzt passt es“. Das kann schnell gehen oder lange dauern. Ich nenne das „ein Lied knacken“.“
Du schaffst es, Kammermusik und Pop in Einklang zu bringen. Warum war das für dich schon immer eine Symbiose und künstlerisch so interessant, diese beiden Welten zu vereinen?
Neuschnee: „Weil ich in und mit beiden Welten aufgewachsen bin. Über die Zeit habe ich dann eine Sehnsucht entwickelt beide zu kombinieren. Das hat mir selber gefehlt und ich wollte etwas ausprobieren, was ich so noch nicht kannte. Ausgecheckt und rotzig zugleich.“
Es fällt immer wieder der Gedanke, ob “Der Lärm der Welt” das gebührende Meisterwerk von dir ist, oder nicht. Was macht für dich ein “Meisterwerk” wirklich aus?
Neuschnee: „Dass sich im Optimalfall der Effekt und das Gefühl einstellt, wie einem guten Buch: Du fängst an zu lesen und kannst nicht mehr aufhören. Wirst irgendwie reingesogen und freust dich darauf zu erfahren, was als nächstes kommt. Das mit musikalischen Begriffen zu beschreiben, wäre es wohl die perfekte Symbiose aus Songwriting, Arrangement, Produktion, Text-Inhalt und Gesang.“
Wenn wir dein damals !viertes Album “Okay”! nehmen und die Situation in Österreich und Europa, ach und damals schon der Welt…und heute? Könnte der Lärm da draußen in der Welt nicht lauter und traurig zugleich sein, oder?
Neuschnee: „Ja, und es wird immer schlimmer. Gerade das Erstarken der neuen Rechten und des Nationalismus ist ein so verdammter Rückschritt. Da waren wir schon mal weiter, finde ich. Rassistische Parolen als Ausdruck von Unzufriedenheit und Provokation zu verwenden ist zu einfach (Oder der Wunsch in eine Einfachheit zurück?) Die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit seinen Genoziden zu vergessen oder bewußt auszublenden ist krass. Wirklich krass. Und immer wieder frage ich mich: Im Grunde geht es doch eigentlich immer um die ökonomische Situation in den Ländern auf unserer Welt, die darüber bestimmt, ob die Menschen ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen und fühlen können. Die Politik ist meistens ein Ausdruck dieser Situation und der Ängste der Menschen. Dieses globale Gleichgewicht herzustellen und Denken zu fördern muß unser Ziel sein, nicht der Rückfall in Abschottung und Aufbau von Feindbildern. Wir hängen ja irgendwie auch alle zusammen, ob wir wollen oder nicht.“