Interview: Juli Gilde
Juli Gilde im Interview zum Debütalbum „it’s hard to be a blizzard“
Juli Gilde ist mit ihrem ersten Album „it’s hard to be a blizzard“ raus und wir haben uns mit der Musikerin im Interview über die Entstehung und das Chaos unterhalten. Sie legt dabei ihre Melancholie ab und das laute und mutige Chaos übernimmt das Zepter. Hier taucht sie ihre Songs in alle Farben, die das Leben schöner machen und wirkt dabei so vielfältig wie sie es auf ihren EPs bisher noch nie war. Mit Anfang 20 legt sie uns damit ein ganz schönes Brett vor die Brust und darüber müssen wir reden.
Dein erstes Album ist lauter, größer und mutiger als deine bisherigen Veröffentlichungen. Was hat dich dazu bewegt, diesen neuen Sound einzuschlagen? War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das einfach so ergeben?
Juli Gilde: „Da ist beides zusammengekommen. Zum einen wollte ich meinen Sound nicht festlegen, sondern zeigen, wie vielfältig Musik und speziell auch meine musikalische Bandbreite ist, zum anderen habe ich mit vielen unterschiedlichen Menschen an den Songs gearbeitet, die natürlich alle ihre persönliche Note hinterlassen haben. Wer weiß, vielleicht klingen meine nächsten Songs schon wieder ganz anders.“
Du beschreibst das Album als chaotisch, bunt und ohne roten Faden – und trotzdem wirkt es am Ende wie ein zusammenhängendes Ganzes. Wie würdest du dieses kreative Chaos erklären?
Juli Gilde: „Mich langweilt es immer ein wenig, wenn ich bei einem Album das Gefühl habe, dass alle Songs gleich klingen, mit lediglich kleinen thematischen oder harmonischen Abwandlungen. Meine liebsten Künstler:innen schaffen es, eine große Range an Genres und Sounds auf ihren Veröffentlichungen zu vereinen und das wollte ich auch. Vielleicht ist es aber auch eine Art Einblick in mein Gehirn, das selten geordnet, sondern meistens ziemlich durcheinander ist, aber trotzdem funktioniert.“
Der Track „Ein Lada steht im Parkverbot“ ist eine Hommage an Wolfgang Herrndorf. Welche persönliche Verbindung hast du zu ihm und was hat dich an seiner Geschichte oder seinem Werk so berührt, dass du ihm ein Lied widmest?
Juli Gilde: „Ich habe das erste Mal in der neunten Klasse ein Buch von Herrndorf in der Schule lesen müssen, das war Tschick. Damals fand ich den Text irgendwie merkwürdig: Toll geschrieben aber die Story hinterließ bei mir einen komisch melancholischen Nachgeschmack. Danach vergaß ich ihn für einige Jahre, bis mir ein Freund die Bücher “Arbeit und Struktur” und “Bilder meiner großen Liebe” empfahl. Schwere Werke eines immer kränker werdenden Autoren, der sich dafür entschied, die letzten Jahre seines Lebens dem Schreiben zu widmen. Gerade “Arbeit und Struktur” ist ja ein Blog, der quasi das Sterben festhält und trotzdem verdammt gut zeigt, dass das Leben auch ziemlich lebenswert ist. Ich kann immer nur ein paar Seiten am Stück lesen, weil es mich so nachdenklich stimmt. Wolfgang Herrndorf ist 2013 selbstbestimmt aus dem Leben getreten und ich habe mir vorgestellt, wie man ihn hätte aufgefunden haben können. Der Chorus meines Songs “Ein Lada steht im Parkverbot” besteht aus einem Gedicht, das Herrndorf in diesem letzten Buch niedergeschrieben hat. Es hat einfach perfekt gepasst.“
Im Vergleich zu deinen vorherigen Releases und jetzt deinem Debütalbum, was würdest du sagen, hat sich in deiner Musik – aber auch in deiner persönlichen Entwicklung als Künstlerin – am meisten verändert?
Juli Gilde: „Ich bin selbstbewusster geworden, was meine Songs und mein Songwriting angeht. Ich weiß besser, was mir gefällt und was nicht und das spiegelt sich auch in den Produktionen wieder. Teilweise habe ich Songs auch co-produziert, was mir selber aufzeigt, wozu ich mittlerweile fähig bin. Das ist ziemlich cool. Gleichzeitig nehme ich die unsichtbaren Steine, die FLINTA*-Artists in den Weg gelegt werden immer stärker wahr, was wirklich anstrengend ist. Dadurch bin ich auch in meinen Texten wütender geworden. Zum Glück habe ich viele Freund:innen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich. Wir helfen uns gegenseitig so gut wir können und tauschen uns sehr viel über die Branche und deren Probleme aus.“
Auf dem Album haben mehrere Produzent:innen mitgewirkt, unter anderem Chris Trumpf als Hauptproduzent. Wie hat diese Zusammenarbeit den Sound des Albums beeinflusst und welche neuen Perspektiven haben dir diese Kollaborationen eröffnet?
Juli Gilde: „Ich habe im Winter 23 angefangen, mit Chris an den Songs zu arbeiten. Erstmal nur an Liedern, bei denen es noch nicht mal ein Demo gab, irgendwann dann auch an den restlichen, die klanglich bereits von anderen Musiker:innen in Sessions geprägt worden waren. Ich durfte mit zahlreichen tollen Menschen an meinen Songs arbeiten, unter anderem Jens Eckhoff und Andi Fins, denen allen eine musikalische Einzigartigkeit innewohnt, die man teilweise auch deutlich aus den Songs raushören kann. Ich finde das richtig gut, weil ich glaube, dass diese Kunstform von Austausch und Kollaborationen lebt, die Kreativität kann daduch erst so richtig zum sprießen kommen. Chris hat das Album am Ende quasi zusammengeklebt, rundgeschliffen und aneinander angepasst, damit alles in Gesamtheit funktioniert. Das war eine große Aufgabe, weil die Songs natürlich für sich stehen sollen und gleichzeitig in einem größeren Konzext arbeiten müssen, ohne dabei ihr Funkeln und die Ideen der anderen Beteiligten zu verlieren. Ich finde, das ist ihm wunderbar gelungen.“
Deine Texte werden oft als sehr eigen, fast hermetisch beschrieben. Muss man deine Musik immer „verstehen“ oder ist es für dich okay, wenn Zuhörer:innen ihre ganz eigene Bedeutung in deine Songs hineininterpretieren?
Juli Gilde: „Es ist toll, wenn Menschen sich ihre eigenen Geschichten zu den Songs denken. Wer bin ich denn, ihnen vorzuschreiben, wie sie meine Musik hören sollen? Im Gegenteil, ich empfinde es als Kompliment, wenn ein:e Hörer:in mir schreibt oder erzählt, wie sie den Text wahrnimmt, auch wenn es nicht unbedingt das ist, was ich bein schreiben im Kopf hatte. Das bedeutet ja, dass sie sich wirklich die Zeit genommen hat, zuzuhören und darüber nachzudenken. Kunst soll berühren, dich treffen und im besten Fall in Erinnerung bleiben, das ist für mich glaube ich das wichtigste. Wenn meine Musik das schafft, bin ich schon ziemlich glücklich.“
Juli Gilde live:
10.03.25 Münster – Pension Schmidt
12.03.25 Heidelberg – Karlstorbahnhof
13.03.25 Freiburg – Jazzhaus
14.03.25 München – Pasinger Fabrik
15.03.24 Bayreuth – Neuneinhalb
09.04.25 Nürnberg – MUZclub
11.04.25 Esslingen – Kulturzentrum Dieselstraße
20.-22.06. 2025 Duisburg–Traumzeit Festival
(wird fortgesetzt)