Interview: Long Tall Jefferson

Long Tall Jefferson Interview zum Album „old sun, new horizon“

Long Tall Jefferson im Interview zu „old sun, new horizon“; Fotocredit: Christian Neuenschwander

„old sun, new horizon“, das vierte Album des Zürcher Singer-Songwriters Long Tall Jefferson, zeigt eine tiefe Liebe zum Leben in seiner ganzen Bandbreite: vom triumphal strahlenden Gelb bis zum tiefdunklen Blau. Von der Eintönigkeit des Alltags bis zum kosmischen Spektakel, das sich einem auftut, wenn man ab und an ein bisschen Perspektive gewinnt. Hier ist wirklich vieles dabei. Und man fragt sich, wie es sich denn so positioniert? Voller Hoffnung? Ein Neustart? Wohl eher ersteres. Denn Long Tall Jefferson hat hier ein hoffnungsvolles Album geschaffen, das zwischen Indie-Folk und Lo-Fi-Pop pendelt, randvoll mit eingängigen Melodien und wunderschönen Momenten der Melancholie. Es fühlt sich an, als sammle er Momentaufnahmen und vertont diese. Er spricht im Interview über`s Vatersein, über seine neuen Facetten und darüber wie er sich selbst nach seinen Releases nun musikalisch positioniert.

Dein neues Album „Old Sun, New Horizon“ fühlt sich wie eine Sammlung von Momentaufnahmen an – mal hoffnungsvoll, mal melancholisch. Welche Themen oder
Gedanken haben dich beim Songwriting besonders beschäftigt?

Long Tall Jefferson: „Die Songs auf diesem Album sind noch stärker als früher direkt an meinem persönlichen Erleben dran. Lauter Themen, die mich – wie vermutlich viele andere Menschen auch – immer wieder beschäftigen: Wie findet man seinen eigenen Weg in dieser grossen weiten Welt? Wie kann ich mir selber immer wieder Mut machen? Und gleichzeitig ist es eben auch sehr hoffnungsvoll. Da steckt auch viel „lass mal tief durchatmen, eigentlich alles nicht so schlimm, kommt schon gut“ drin. Viel Dankbarkeit auch, überhaupt hier zu sein, das alles machen und erleben zu dürfen.“

Du hast das Album kurz nach der Geburt deiner zweiten Tochter aufgenommen. Inwiefern hat dieser neue Lebensabschnitt deine Musik und deine Herangehensweise an das Songwriting beeinflusst?

Long Tall Jefferson: „Es gibt diese Vorstellung, dass man als Vater gezwungenermassen nochmals „erwachsener“ wird. Und wenn man selber mal nicht so einen guten Tag hat, dann kann da schon auch eine grosse Diskrepanz entstehen zwischen Caregiver sein und dem Gefühl jetzt eigentlich selber Hilfe zu brauchen, oder einfach mal eine Pause. Gleichzeitig hat der geordnete Tagesablauf mir enorm geholfen, regelmässig zu schreiben und die konstant Zeitknappheit zwingt einen auch, schneller Entscheidungen treffen. Und natürlich hat man auch viele Gefühle, die man so vorher noch nicht gekannt hat, das verändert einen auf jeden Fall.“

Du hast dich für einen rohen, ehrlichen Sound im Aufnahmeprozess entschieden und die Instrumente paarweise aufgenommen, um die Spontaneität der Demos
beizubehalten. Wie hat dieser Ansatz das endgültige Gefühl des Albums beeinflusst? Gab es unerwartete Momente, die es auf die Platte geschafft haben?

Long Tall Jefferson: „Die Platte versprühlt viel Spielfreude und Neugier, in meinen Ohren jedenfalls. Und der Grund ist, dass wir tatsächlich viele Spuren aus den Demos behalten haben. Mario Hänni (Co-Produzent) und ich haben beim Recording nicht daran gedacht, dass das jetzt die Performance für die Platte sein muss. Wir haben einfach schnell gearbeitet und gemeinsam aufgenommen, da passieren viele ‚lucky accidents‘. Zum Beispiel sind die Drum/Bass-Performances meist sehr locker und verspielt, das kommt genau daher. Das hört man z.B. bei ‚infinity‘ oder ‚maui‘ sehr gut. Und viele Songs leben von den doppelt aufgenommenen Gitarren mit viel Gestaltungsfreiheit, z.B. ’step across the border‘.“

Der Track „Anything” wirkt super roh und steht finde ich auch in einem starken Kontrast zum Song “Growing Up Takes A Lifetime”. Also in der Aufmachung sind sie
sehr verschieden. Kannst du uns den Kontrast kurz erklären?

Long Tall Jefferson: „‚anything‘ ist genau so ein Song, wo wir Drums & Bass gemeinsam eingespielt haben und einfach immer Fan waren von dieser Performance. Der Song wirkt sehr ‚live‘ gespielt, obwohls natürlich auch zahlreiche Overdubs gibt. Ich würde es als einen erdigen Track bezeichnen. Bei ‚growing up takes a lifetime‘ wiederum haben wir in einem späteren Schritt die akustische Gitarre des Basic Tracks durch einen Synthesizer ersetzt und das hat das ganze Feeling des Songs komplett verändert. Das war einfach ein Moment im Studio wo wir plötzlich fanden: OK, jetzt klingt dieser Song mega fresh und anders, let’s go for it! Da wollten wir auch auf diesen grossen Refrain hinzielen, vermutlich der poppigste Moment auf dem Album. Auf jeden Fall eher ein luftiger Song.“

Was mir zudem auch aufgefallen ist, sind die doch recht langen Spiellängen der Songs. Wie schwierig ist der Spagat alles, was man erzählen möchte auch in einem
Song zu erzählen und dann doch noch einige Details im Unklaren zu lassen?

Long Tall Jefferson: „Mein Ziel für das Album war, mir wirklich die Zeit zu nehmen, die es braucht, nichts zu rushen. Sowohl beim Schreiben, wie auch beim Produzieren. Gut möglich, dass sich das dann auch auf die Länge ausgewirkt hat. Ich versuche auf jeden Fall beim Schreiben genug offen zu lassen, dass man sich als Hörer:in auch selber noch was denken kann. Ob das funktioniert hat? You tell me 🙂 “

Fühlst du dich mit diesem Album als Künstler anders positioniert als bei deinen vorherigen Werken? Wie siehst du deine Entwicklung in Klang und Storytelling von
deinem Debüt bis heute?

Long Tall Jefferson: „Spannende Frage. Für mich ist dieses Album eine Synthese aus allem vorherigen, während sich die drei Alben davor eher wie ein stetige Weiterentwicklung angefühlt haben. «old sun, new horizon» ist für mich mehr wie ein Ankommen, ein Sich-Einleben und Breitmachen in einem Haus, das man über mehrere Jahre gebaut hat, vor allem was den Sound anbelangt. Lustigerweise kann ich das über das Songwriting nicht wirklich sagen. Vielleicht haben sich die Themen etwas verändert, aber die Formen und die Formulierungen fühlen sich einfach nach meiner DNA an – da bin ich vielleicht auch der Falsche, um das zu beantworten.“

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