Kafkas Orient Bazaar – Klischees sind in Kunst und Unterhaltung nicht schlecht
Kafkas Orient Bazaar im Interview
Am 11. April, also heute erscheint das dritte Studioalbum der talentierten Münchner Band Kafkas Orient Bazaar. Das Soundkartell hat sich mit Bezug auf das Album exklusiv mit den Bayern unterhalten. Es ging um Klischees und natürlich um Kafka.
Natürlich versuchen Kafkas Orient Bazaar bewusst zu verwirren. All die erstmaligen Hörer im Unklaren zu lassen, was die Worte bedeuten, doch ganz so unklar ist das gar nicht wie sie im Interview erklären. Mit ihrem dritten Studioalbum nehmen sie nochmal einen richtig langen Anlauf um auch wirklich einen größeren Wurf landen zu können.
Die 12 Titel können sich auch hören lassen. Sie klingen deutlich reifer und mit dem Album „Tief Dort Unten“ gelingt ihnen jetzt – das sagen wir euch voraus – ein wirklich guter Wurf. Es sind Titel wie die aktuelle Single „Morpheus und Eurydike“ die an Bands wie Deichkind oder Robocop Kraus erinnern.
Soundkartell: In eurem Namen Kafkas Orient Bazaar verbergen sich viele Fragezeichen. Was hat in eurer Musik Kafka mit einem orientalischen Basar zu tun?
KOB: „Kafkas Orient Bazaar“ ist eine besondere Buchstabenfolge, weil sie in zwei Sprachen zwei unterschiedliche Bedeutungen hat.
Auf deutsch: Ein Markt mit orientalischen Produkten, der jemandem namens „Kafka“ gehört.
Auf türkisch: Ein Markt mit orientalischen Produkten aus dem Kaukasus.
Allein die Bedeutung des Wortes Bazaar ist vielschichtig; es kann ein dauerhaft eingerichteter kleiner Laden sein oder eine Ansammlung von Ständen, die sich immer nur temporär an der gleichen Stelle zusammenfindet.“
Soundkartell: Das Element des “Orients” besingt ihr ja in eurer Musik durch teilweise türkischsprachige Songs. Ist das nicht ein gewaltiges Klischee mit dem ihr da spielt?
KOB: „Einerseits ist es natürlich ein Klischee, dass eine Band, die „Orient“ im Namen trägt, Songs auf einer orientalischen Sprache singt. Andererseits ist es auch kein Klischee, dass eine Münchner Band mit vier deutschen Staatsbürgern (darunter zugegebenermaßen ein Doppelter) einen solchen Namen trägt und Lieder in einer „fremden“ Sprache singt. Außerdem: Klischees sind in Kunst und Unterhaltung nicht unbedingt als schlecht zu sehen. Es geht meines Erachtens um den richtigen Umgang mit und Einsatz von Klischees.“
Soundkartell: Ist die Türkei für euch eher Europa oder Orient?
KOB: „Hierzu kann es momentan keine eindeutige Antwort geben. Der Staat hat sich bei seiner Gründung im letzten Jahrhundert ganz klar nach Westen orientiert. Was die momentanen politischen und kulturellen Perspektiven angeht, ist alles im Umbruch und kann sich in kurzer Zeit in jede Richtung verändern.“
Soundkartell: Nach acht Jahren Bangeschichte folgt jetzt am 11. April euer neues Album “Tief Dort Unten”. Was erwartet uns auf dem Album?
KOB: „12 Songs, die immer noch abwechslungsreich, aber zielgerichteter und eingängiger sind als auf dem Vorgänger. Stärkere Melodien, kräftigere Beats, klebrigere Synthie-Ohrwürmer. Texte, die ihre Geschichten mutiger in die Welt posaunen.“
Soundkartell: Wie betrachtet ihr eure Bandgeschichte selbst aus der Retroperspektive?
KOB: „Wir haben zu jedem Zeitpunkt eine extrem verzerrte Sicht auf unsere Vergangenheit. Zur Zeit finden wir unser Erstwerk wesentlich besser als unser zweites Album. Wir bewundern unsere Rotznäsigkeit vom ersten Album, die man natürlich auch als Naivität deuten kann. Wir hadern mit der fehlenden Verrücktheit im zweiten Album, was man auch als „erwachsen werden“ begrüßen könnte. Die Konstante in unserer Bandgeschichte bleibt aber die Freundschaft zwischen uns und unser Willen, gemeinsam nach Verbesserung und Schönheit in der Musik zu streben.“
Soundkartell: Wie passen eurer Meinung nach auf eurem neuen Album TürkRock und SynthiePop zusammen?
KOB: „Erfolgreicher türkischer Rock ist bisher großteils auf Gitarren als Melodieinstrumente beschränkt. Moderne türkische Popmusik geht selten eine Verbindung mit dem Rock ein. Wir bringen die beiden Elemente in unserer Musik zusammen und schaffen eine Mischung, die in der Türkei bisher weitestgehend unbeachtet ist und unserer Meinung nach sehr gut funktioniert.“
Soundkartell: Drei unterschiedliche Sprachen und jede Menge unterschiedliche Genres…euer Album wirkt unglaublich facettenreich. Inwiefern ist das Vor und Nachteil zugleich und wie schafft ihr es trotzdem Eingängigkeit zu schaffen?
KOB: „Es gibt extrem homogene Alben, die funktionieren; es gibt extrem wild durcheinandergewürfelte Alben, die funktionieren. Ich sehe den Facettenreichtum nicht als Nachteil an, verstehe aber, wenn Albumhörer etwas Monolithisches haben wollen. Letztendlich versuchen wir, eine Vielfalt zu bieten, durch die sich die (nicht näher definierte) KOB-haftigkeit wie ein roter Faden zieht.“
Soundkartell: Eure Vielfältigkeit macht es schwer euch mit Bands zu vergleichen. Auf welche Einflüsse könnte man euch dennoch reduzieren?
KOB: „Eine undankbare Aufgabe, da wir alle sehr viel unterschiedliche Musik hören und lieben, was man ja auch am Ergebnis bemerkt. 😉 Wir sind natürlich stark von der 2000er Indie-Explosion beeinflusst (The Robocop Kraus, Klaxons, Franz Ferdinand, The Bravery). Enter Shikari und Hadouken! sind bekannte Grenzgänger, die zwischen Synthiesound, Pop und Hardcore agieren. Auf türkischer Seite könnte man Duman (sehr bekannt, irgendwo zwischen Grunge und Radiorock) und Gece (mittelbekannt, Gitarren-Indiepop der neueren Schule) als große Einflüsse festmachen.“
Soundkartell: Zusätzlich gibt es zu eurem Album auch eine gebundene Ausgabe von Kurzgeschichten zu den Songs. Ein ungewöhnliches Konzept zusammen mit einem Album oder?
KOB: „Es ist durchaus etwas, was man nicht sehr häufig sieht. Wobei ich beim Schreiben der ersten Geschichte gelesen habe, dass eine Münchner Band gerade einen Comicband mit ihrem Album veröffentlicht. Bei uns hat es sich geradezu aufgezwungen, weil meine Texte Geschichten erzählen, die im engen Korsett der kurzen Songtexte nur kurz gestreift werden. Sie aus ihrem Gefängnis zu befreien und dem Publikum in entfalteter Form zu präsentieren, kam mir da natürlich vor.“
Soundkartell: Ich stelle mir das unheimlich aufwendig vor, zu zeitraubenden Studioaufnahmen noch zusätzlich quasi ein Buch zu schreiben. Wie konntet ihr euch da gleichermaßen auf beides konzentrieren ohne den Fokus zu verlieren?
KOB: „Zum Glück hat sich das zeitlich nicht überschnitten. Erst als wir den Aufnahmen fertig waren, habe ich angefangen, die Kurzgeschichten auszuarbeiten. Außerdem wurde ich tatkräftig von weiteren Autoren unterstützt, die ihre Sicht auf die Geschichte des Songs in Worte gegossen haben. Auch hier wieder: ein sehr vielseitiges Endprodukt, bei dem für jeden was dabei ist.“
Soundkartell: Wäre euer Album tatsächlich ein Basar mit vielen unterschiedlichen Ständen. Welche drei gäb es dort?
KOB: „1. Hipsterklamotten. 2. Vintage-Bücher. 3. Triefendes, süßes Baklava.“
Soundkartell: Der richtige Durchbruch ist mit den zwei Vorgänger-Alben noch ausgeblieben. Drei Gründe warum sich das jetzt ändert.
KOB: „1. Eine bessere Balance zwischen künstlerischem Anspruch in der Rockmusik und Eingängigkeit. 2. Refrains, die endlich das tun, was sie tun sollten. 3. Texte, die endlich das tun, was sie immer tun wollten.“
Soundkartell: Welchen Stellenwert haben soziale Medien für euch als Band? Wenn ihr eine türkische Band wärt, könntet ihr jetzt nicht mehr twittern…schlimm?
KOB: „Soziale Medien sind momentan unser wichtigstes Instrument zur Kommunikation mit unseren Fans und Freunden. In Deutschland spielt Twitter allerdings eine Nebenrolle. Als Band wäre es natürlich schlecht für uns, wenn uns unser Hauptwerkzeug weggenommen würde. Angesichts der politischen Dimension der Twitter-Sache müssen solche Überlegungen allerdings weit in den Hintergrund rücken.“
Soundkartell: 1 Woche türkische Riviera oder Mallorca?
KOB: „Natürlich ersteres!“
Soundkartell: Döner oder Leberkäs?
KOB: „Immer Ersteres!“