Interview: PIPPA
Pippa im Interview zum neuen Album „Träume auf Zement“
Pippa ist mit ihrem neuen und vierten Studioalbum raus und es ist gerade mal ein paar Tage alt. Hierin liegt in den neuen elf Songs so viel Frechheit, Leichtigkeit und Kreativität, dass es wirklich rundum große Freude bereitet das Album in voller Länge durchzuhören. Pippas viertes Studioalbums “Träume auf Zement” (RAIN, 28.03.2025) liegt irgendwo zwischen den von einer milchigen Sonne beschienenen Feldern eines Coming-of-Age-Films und Jacques Tatis unbarmherzigen Betonlandschaften. Der Kontrast zwischen der filmischen Verträumtheit und der düsteren urbanen Wüste ummantelt die Erzählung des Albums jedoch nicht, ohne unhinterfragt zu bleiben. Der Traum kann zum Alptraum werden und Zement zur notwendigen Erdung, wenn man droht, in dunklen Fantasien zu versinken. Genau darauf gehen wir im Interview mit der Musikerin ein.
Dein neues Album „Träume auf Zement“ bewegt sich zwischen verträumter Leichtigkeit und urbaner Härte. Wie hast du dieses Spannungsfeld musikalisch und textlich eingefangen? Gab es einen bestimmten Moment oder eine Erfahrung, die den kreativen Funken dafür entzündet hat?
PIPPA: „Mein Ausgangspunkt war der Kontrast – und das Spiel damit. Ich liebe und suche schon immer nach Gegensätzen in der Musik und wollte das auf diesem Album besonders ausloten. Der Titel stellt den Traum der Realität gegenüber. In den Songs suche ich aber auch nach dem „Dazwischen“, also nach Schnittstellen, an denen sich Traum und Realität verbinden und eins werden.“
Mit „Nie wieder“ hast du einen Song geschaffen, der eine besondere Intensität ausstrahlt. Kannst du uns mehr über die Entstehung dieses Liedes erzählen? Wie ist die Produktion verlaufen, und was war dir besonders wichtig, um die Emotionen des Songs einzufangen?
PIPPA: „Das Lied ist eine Form der Selbstermächtigung – sich sowohl Abgrenzung als auch grenzenloses Denken zu erlauben. Ich spreche mir dabei sozusagen selbst Mut zu und erlaube mir, Mauern, die mich behindern, niederzureißen – und die Mauern, die Schutz bieten, auch stehen lassen zu dürfen. Es geht darum, dass alles okay ist, so wie es ist, und ich mich letztlich vor niemandem rechtfertigen muss, was meinen Weg betrifft. Der Text war schon früh da, die Musik kam später – und lustigerweise ist das der Song, der am längsten gebraucht hat, bis ich damit wirklich happy war. Lange Zeit fand ich ihn zu poppig, zu wenig eigenständig, und wir haben da wirklich viel ausprobiert. Letztendlich hat es sich ausgezahlt, weil ich das Lied, so wie es jetzt ist, sehr mag!“
Das Album scheint eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und der Sehnsucht nach Freiheit zu sein. Wo siehst du dich selbst in dieser Thematik? Ist „Träume auf Zement“ für dich auch ein persönliches Manifest?
PIPPA: „Ja, schon. Es ist in einer Zeit entstanden, in der ich trotz drei Alben und zwei EPs wieder ohne Partner:innen dastand. Mein Label hatte sich nach Album 3 aus wirtschaftlichen Gründen von mir getrennt. Ich hätte auch einfach aufhören können. Ich habe mir mehr als nur einmal die Sinnfrage gestellt. Aber schließlich wurde immer deutlicher, dass ich Musik machen muss, weil es für mich mittlerweile zu einem unentbehrlichen Ventil geworden ist – um Dinge auf poetische Weise zu veranschaulichen und zu verarbeiten. Und dass ich es letztlich auch will, selbst wenn damit keine Erfolge zu verbuchen sind. Es war ein Prozess des Loslassens – und damit einher geht ja oft ein Gefühl der Freiheit, weil man sich vor nichts und niemandem mehr rechtfertigen muss. Ich habe dann glücklicherweise ein neues Label und Management zu Hause gefunden – Marie Hummer von RAIN – mit der die Zusammenarbeit unglaublich toll ist. Wie so oft im Leben öffnen sich dann neue Türen, wenn man die alten Themen losgelassen hat.“
In Songs wie „Nichts Tun“ und „Weck mich nie wieder auf“ geht es um das Spannungsfeld zwischen Realität, Illusion und der Frage, wie wir unser Leben gestalten. Würdest du sagen, dass du selbst eher eine Träumerin oder eine Realistin bist – oder vielleicht beides?
PIPPA: „Ich bin beides. Dadurch, dass ich sehr strukturiert und auch perfektionistisch bin, brauche ich das nächtliche Träumen und die Entspannung. Aber auch das bewusste Tagträumen, um nicht auszubrennen. „Nichts tun“ ist als ein Appell an uns alle zu verstehen. Wir sollten nicht vergessen, dass in der Ruhe auch Kraft liegt – und uns daran erinnern, zwischendurch einfach mal nur „zu sein“, während wir so viel und ständig „tun“. „Weck mich nie wieder auf“ erzählt von einer unglücklichen Liebe, die aber zumindest im Tagtraum gelebt werden kann – was doch manchmal tröstlich ist.“
„Träume auf Zement“ ist bereits dein viertes Studioalbum. Wie hat sich dein künstlerischer Ausdruck seit deinem Debüt verändert? Würdest du sagen, dass dieses Album einen neuen Abschnitt in deiner Karriere markiert?
PIPPA: „Jedes Album – beziehungsweise jedes neue Lied, das ich schreibe – ist in gewisser Weise ein neuer Abschnitt. Das Leben ist ja ein Fluss, und man bewegt sich auf und mit ihm weiter. Man erlebt, erkennt und versteht mehr – und darüber schreibe ich. Auch Geschmack ist nichts, was stillsteht, und mit jeder neuen Erzählung verändert sich automatisch auch der Sound. Insofern: ja, ich bin natürlich momentan mehr mit meinem vierten Album als mit dem ersten identifiziert. Aber ich will bewusst auch frühere Sachen wertschätzen, weil sie eben meinen damaligen Ausdruck und Standpunkt widerspiegeln. Das ist ja auch schön – wie in einem alten Tagebuch zu lesen.“
Du experimentierst auf diesem Album mit verschiedenen Klangwelten – von poppigen Melodien bis hin zu elektronischen Elementen. Gibt es bestimmte musikalische Einflüsse oder Künstler:innen, die dich bei diesem Album besonders inspiriert haben?
PIPPA: „Grob gesagt ist der Sound inspiriert von der Grunge- und Indiepop-Ära der späten 90er, frühen 2000er Jahre. Wir haben Wir sind Helden und Tocotronic zitiert – aber auch Nirvana. Pixies und Radiohead zählen für mich zu den Einflüssen, ebenso moderne Acts wie SUUNS, Billie Eilish oder Lola Young.“