Interview: Havington

Havington im Interview zum Debütalbum

Havington im Interview über das Debütalbum „Troubled Heart“; Fotocredit: Christian Wasenmüller

Bereits Anfang Oktober erschien das Debütalbum „Troubled Heart“ der Bremer Indie-Pop Band Havington. Die drei Musiker:innen – Luka, Malte und Tom – haben sich bereits mit ausverkauften Konzerten von Berlin bis München, Auftritten auf renommierten Festivals wie dem Melt! und dem SWR 3 New Pop Festival sowie Platzierungen in Spotify-Playlists wie „New Music Friday Deutschland“ und „Indie Brandneu“ einen Namen gemacht. Ihre Songs fangen das Gefühl von Rotwein-Abenden im WG-Zimmer und Sommer-Sonntagen auf der Stadtwiese perfekt ein und begleiten die Zuhörer:innen durch die Höhen und Tiefen des Alltags. Dass nun endlich ein erstes vollständiges Album erscheint, wirkt wie eine Genugtuung.

Das Erste, was mir auffiel: Das klingt super harmonisch und dezent zurückhaltend. Das Zurückhaltende kommt womöglich durch die sphärische Synthie-Gestaltung. Dazu kommen energiegeladene Rhythmen und verträumte Vocals. Sie wollen ihren Fans und Zuhörer:innen natürlich gefallen. Das gelingt ihnen dadurch, dass man ihre Songs so ziemlich jedem vorsetzen kann. Das mag banal klingen. Aber hat den entscheidenden Vorteil, dass man einen breiten Zugang von außen bekommt.

„Wir wollen, dass unsere Lieder zugänglich sind. Sie sollen gehört und verstanden werden.“

Der Song „Trace“ thematisiert die Angst vor dem Vergessen und die Kraft der Erinnerungen – ein Heartbreak-Song, der melancholische Spuren des Lebens in tanzbare Melodien verwandelt. „Picture“ und „Hoping for More“ führen diese Stimmung fort: „Picture“ erzählt von nachdenklichen Momenten, getragen vom sanften Duett-Gesang von Luka und Malte, während „Hoping for More“ die Leichtigkeit und Aufregung junger Liebe besingt. Auch andere Songs wie „All Because of You“ handeln von der Liebe und der großen Unsicherheit, gerade wenn sie neu und frisch ist. Man hat ja dann doch immer Zweifel, dass sie nicht so lange hält.

Euer Debütalbum „Troubled Heart“ fängt so viele unterschiedliche Emotionen und Stimmungen ein, von Melancholie bis Leichtigkeit. Wie hat sich dieser emotionale Spannungsbogen während des Entstehungsprozesses entwickelt? Gab es eine klare Vision, oder haben sich die Songs und Themen eher organisch ergeben?

Havington: „Das Album ist das Produkt von acht Jahren gemeinsamen Musikmachens – da haben wir schon
so einige Stimmungen von melancholisch bis euphorisch zusammen erlebt und wollten diese Facetten auch in unser erstes Album einfließen lassen. Es ist eine Collage aus Songs geworden, hinter denen wir zu 100% stehen, unabhängig davon, ob sie verträumt und zum Schwelgen sind, oder nach vorne gehen und zum Tanzen einladen. Uns war es von Anfang an wichtig, die unterschiedlichen Facetten unseres Lebens zu zeigen, und trotzdem haben sich die Songs und Stimmungen eher organisch ergeben – wir haben bei jedem Song ganz individuell geschaut, in welche Richtung es gehen soll und uns da nie an einen genauen Fahrplan gehalten. So konnte es schon mal passieren, dass ein ursprünglich eher getragener Song wie Trace auf einmal ein tanzbarer Song wurde, ein klassischer Folksong wie Deep End auf einmal eine unerwartete elektronische Wendung nimmt oder ein Song wie Lluvia ganz ruhig und zur Hälfte auf Spanisch ist, einfach weil es besser zum Song gepasst hat. Wir folgen da keiner Richtlinie, sondern gucken immer alle zusammen, was für den jeweiligen Song am stimmigsten ist und sich am besten anfühlt. Und dann ist es auch noch so, dass wir in der Band drei Personen mit drei unterschiedlichen musikalischen Prägungen und Geschmäckern sind. Auch das führt dazu, dass wir gerne verschiedene Richtungen ausprobieren und jede*r die eigenen Inspirationen einbringt, bis etwas entsteht, dass uns drei als Band komplett widerspiegelt und vereint.“

Der Song „Trace“ thematisiert die Angst vor dem Vergessen und die Kraft der Erinnerungen,
verpackt in tanzbare Melodien. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein so nachdenkliches Thema
mit einem solchen musikalischen Kontrast zu verbinden? Was bedeutet euch dieser Song
persönlich?

Havington: „Diesen Song habe ich (Malte) in dem Jahr geschrieben, in dem ich einen sehr engen Freund verloren habe. Leider geschah das alles in der Corona-Zeit. Ich war fast täglich bei ihm und trotzdem irgendwie fern, da es neben seiner schweren Krankheit auch noch dieses Virus gab, vor dem man sich fürchten musste. Und trotz dieser echt miesen Umstände, war ich froh, dass ich da war. Er war selbst Musiker und sogar mein erster Gitarrenlehrer. Wir hatten also Themen, die wir teilen konnten, die auch die Krankheit nicht kaputt machen konnte. Und das tat uns beiden gut. Nach seinem Tod wurden diese Momente und natürlich auch die, aus der Zeit, als seine Welt noch nicht auf den Kopf gestellt wurde, für mich umso wichtiger und wertvoller. Gleichzeitig hatte ich direkt Angst vielleicht irgendwann genau diese Momente zu vergessen. Einfach, weil Zeit in dieser Hinsicht absolut undankbar ist. Es hat mir immer geholfen, mein Gefühlschaos in Texten und Liedern zu verarbeiten. So entstand die erste Demo von „Trace“. Sie war noch im Half-Time und insgesamt noch etwas melancholischer. Erst als ich diese Demo mit in eine Probe genommen habe, kam von Tom und Luka direkt das Feedback, dass der Song schneller sein müsste. Und ich bin froh, dass sie sich durchgesetzt haben, denn wer diese besondere Person kannte weiß, dass das viel besser passt!“

Ihr beschreibt eure Musik als den Sound von „Rotwein-Abenden im WG-Zimmer“ und „Sommer-Sonntagen auf der Stadtwiese“. Was inspiriert euch, diese alltäglichen Momente in eure Musik zu integrieren? Wie findet ihr die Balance zwischen Intimität und dem Drang, eure Zuhörer:innen auch zum Tanzen zu bringen?

Havington: „Wir wollen, dass unsere Lieder zugänglich sind. Sie sollen gehört und verstanden werden. Nicht zwangsläufig inhaltlich, aber zumindest auf der Gefühlsebene. Aus diesem Grund sind es vor allem die alltäglichen Momente, die wir besingen und die ebendiese Brücke zwischen unserer Musik und den Hörer:innen schaffen sollen. Vielleicht führt es bei dem einen oder anderen Song dazu, dass man das Bedürfnis verspürt, einfach drauf los zu tanzen und ein anderer sorgt vielleicht dafür, dass man seinen Kopf einfach an eine regenbeschlagene Scheibe lehnen will, weil
der Kopf sich schwerer anfühlt als sonst. Vielleicht ist es auch ein und derselbe Song, der beide Gefühlswelten berührt, je nachdem, wer ihn hört und wie diese Person ihn fühlt. Uns ist nur wichtig, dass unsere Musik so viele Menschen wie nur möglich auf irgendeine Weise berührt und abholt.“

In „Everything’s Alright“ habt ihr sogar Naturgeräusche wie Vogelgezwitscher und das Rascheln von Blättern eingebaut. Wie kam es zu der Entscheidung, diese organischen Klänge in den Song zu integrieren? Und wie wichtig war euch generell die Atmosphäre während der Aufnahme des Albums in der abgelegenen Holzhütte?

Havington: „Manchmal lässt sich mit absoluter Bestimmtheit sagen, wo man sich befindet, wenn man die Augen schließt und einen Song zum ersten Mal hört. Und die ersten Akkorde und Zeilen von „Everything’s Alright“ beamten uns direkt in die ruhige Atmosphäre eines Waldes. Und damit war das Gefühl, das dieser Song übermitteln soll, ebenfalls gesetzt: Leichtigkeit und Einfachheit. Sowohl in der musikalischen Umsetzung als auch auf lyrischer Ebene. Die Holzhütte war bis dahin eher nur so eine Idee, die alle witzig fanden, aber für den Arbeitsprozess als nicht unbedingt nötig empfunden wurde. Mit dem Song wurde uns aber schnell klar, dass das auf jeden Fall sein muss und dieser Song von der Stimmung vor Ort nur profitieren kann. Und so war’s dann auch. Eisbaden, Saunagänge, Kaminfeuer und leckere Kochsession haben definitiv ihren Teil dazu beigetragen, dass der Song genauso geworden ist, wie wir ihn uns vorgestellt haben.“

Viele eurer Songs wie „Hoping for More“ oder „All Because of You“ beschäftigen sich mit den Höhen und Tiefen der Liebe und Beziehungen. Was war für euch beim Schreiben dieser Songs entscheidend, um die Authentizität dieser Gefühle musikalisch einzufangen?

Havington: „Über Liebe singen ist total schwer. Man will ja nicht zu cheesy sein oder zu platt und direkt in dem, was man übermitteln will. Auf der Textebene sollten Situationen geschaffen werden, die man kennt und in die man sich einfach hineinfühlen kann. Sei es der Weg zum nächsten Späti mit einer Person, die man gerade erst kennengelernt hat und die man direkt mit einer trunkenen Gewissheit im eigenen Leben für die nächsten Tage oder Wochen fest eingeplant hat, oder der Moment, in dem zwei Menschen eine sensible Linie überschreiten, sich öffnen, angreifbar machen, aber mit
dem Wissen, dass sie bei der anderen Person sicher sind und sich fallen lassen können. Es sind konkrete Situationen, aber so oder so ähnlich für alle irgendwie bekannt und vielleicht kann man sich gerade deswegen gut in sie hineinfühlen. Denn darum geht es uns auch bei diesen Liedern. Sie sollen für so viele Menschen wie möglich greifbar und zugänglich sein.“

Ihr habt das Album mit Jonas Holle, der bereits für Milky Chance und Sportfreunde Stiller produziert hat, aufgenommen. Wie war es, mit ihm zu arbeiten? Was hat er zu eurem Sound beigetragen und wie hat er euch geholfen, eure musikalische Vision zu verwirklichen?

Havington: „Ohne Jonas Holle wären wir niemals so unfassbar glücklich mit unserem Debütalbum geworden, wie wir es jetzt sind. Das ist einfach Fakt. Bevor wir zu ihm kamen, konnten wir kaum Studio-Erfahrungen vorweisen und die, die wir gemacht haben, waren nicht unbedingt positiv gewesen. Umso wichtiger war es für uns eine Person zu finden, mit der es sowohl auf zwischenmenschlicher Ebene als auch auf musikalischer Ebene gut passt. Und das war mit Jonas gleich zu Beginn vollkommen der Fall. Bevor wir in die Produktion übergegangen sind, haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, wo wir musikalisch stehen und wo wir hinwollen. Unsere Vision, wie unser Album sich entwickeln soll, hat er schnell erfasst und mit uns vorangetrieben. Über die ganze Produktion hinweg hatten wir immer einen dynamischen Austausch von Ideen und Impulsen, der nicht mal durch die regelmäßigen Kaffeepausen und Falafel-Sandwiches einen Abbruch fand. Es hat sich eher angefühlt, als würden paar Freunde einfach zusammen Musik
machen. Absolut unverkopft und mit völliger Hingabe für die Sache. Auch wenn er dieses Maß an Aufmerksamkeit nur mit Mühe ertragen kann, kommen wir nicht darum herum, ihn permanent daran zu erinnern, wie dankbar wir für seine absolut starke Arbeit sind.“

 

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