Interview: Betti Kruse

Betti Kruse im Interview zur EP „Für alles gibt’s ne Lösung“

Betti Kruse im Interview; Fotocredit: Mats Hoff

In Betti Kruses EP „Für alles gibt’s ne Lösung“ geht es viel um Verzweiflung, die Probleme und Ängste im Alltag. Hier ist vieles erlaubt, was sonst vielleicht eher tabuisiert wäre. Worüber erstmal niemand spricht, weil man ja Schwäche zeigt. Wobei ich glaube, dass hier gerade viel im Wandel ist und immer mehr und mehr genau darüber offen sprechen können und wollen. In den fünf Tracks begibt sich Betti Kruse auf die Suche nach ihrer Leichtigkeit. Und das versucht sie mit „neuer deutscher Beatmusik“. Ein bisschen Schlager, ein bisschen Pop. Alles vermischt sich dann innerhalb der Songs.

Sie will ganz bewusst für Menschen da sein, die schöne Songs hören möchten. Einfach nur das. Ohne aber zu banal zu klingen und es sich selbst zu einfach zu machen. Im Interview sprechen wir genau darüber und über ihre Zweifel, die ihre kreative Feder immerzu antreiben.

„Verzweifeln ist absolut erlaubt und ich glaube auch wichtig. Der Zweifel treibt mich persönlich immer wieder an, mich auf die Suche nach Leichtigkeit zu begeben.

Betti, dein Stil wird als „Neue Deutsche Beatmusik“ beschrieben, die an die großen Idole wie Nena erinnert, aber auch einen modernen Twist hat. Wie würdest du diesen musikalischen Ansatz für jemanden beschreiben, der noch nie von dir gehört hat?

Betti Kruse: „Ich kann mir vorstellen, dass das für jemanden, der noch nie etwas von mir gehört hat, erstmal nach einem ziemlich heftigem Mashup klingt. Einzeln lassen sich die Zutaten des Betti-Kruse-Sounds vielleicht so beschreiben: Die Beatmusik ist eine Anspielung auf die 60er und 70 Jahren, die einen hohen Einfluss auf meine Musik haben. Die Beatmusik war ja was neues und sich auflehnendes (durch die Frisuren und Klamotten zum Beispiel) aber auch was eingängiges und massentaugliches zugleich. Die Songs waren welche zum mitsingen und mittanzen. Das sind meine Lieder auch. Mit deutschen Texten, wie man Deiner Beschreibung oben schon entnehmen kann. Die Texte schlagen wohl am ehesten die Brücke zu Nena. Ich habe selber mal den Vergleich zu einer „gut gealterten Nena“ gesagt. Das meine ich natürlich im übertragenden Sinne. Ihre Songs von damals sind im besten Sinne maximal unterhaltend und verkörpern dabei eine politische Haltung. Ihre politische Einstellung heutzutage ist mir suspekt, aber ich schätze das an ihren Hits von damals, was ich eben beschrieben habe. Modern sind die Themen, die ich aufgreife. Reiche Spießer-CEOs, die ich enteignen will, kommen in meinen Songs vor genauso wie Männer, die ich sexyer fände, wenn sie die Klappe halten. Das sind die Themen von heute, die auch mich beschäftigen.“

Der Song „Alles hat seine Zeit“ beinhaltet eine Mischung aus lebendigen Beats und eingängigen Melodien, die mir als Zuhörer:in ein Gefühl von Nostalgie und zeitloser Modernität vermitteln. Wie gehst du beim Komponieren und Arrangieren vor, um diesen einzigartigen Sound zu erreichen? Sind deine Einflüsse dafür entsprechend vielfältig?

Betti Kruse: „Mich freut die Beschreibung voll, danke dafür! Ich würde ja gerne den Approach den „Ich liebe das Leben“ noch heute für so viele Menschen hat auch mit einem meiner Songs schaffen. Das wäre für mich ein Traum. Ich komponiere sehr intuitiv. Ich habe eine tiefe Liebe in mir für eingängige Melodien. Ein gutes Kriterium ist für mich beim Schreiben, ob ich nach dem komponieren diesen Song mit mir rumtrage. Hängt mir beim Einkaufen immer noch eine Melodie oder eine Zeile im Ohr, dann finde ich das ein gutes Zeichen. Da bleibe ich dran. Einen Song skizziere ich schnell, die Ausarbeitung, besonders die textliche, nimmt dann aber viel Zeit in Anspruch. Einige Songs sind auch Kooperationen zwischen mir und meinem Produzenten Taco van Hettinga. Der schickt mir dann Demos und ich schreibe dazu noch einen Text oder Melodie und Text. Das könnte ich glaube ich nicht mit jeder Person, aber bei uns zweien funktioniert das irgendwie richtig gut. Ich glaube, weil wir beide sehr intuitiv ans Songwriting rangehen, ein gewisses Spaß-Prinzip verfolgen und uns die gleichen Dinge wichtig sind.“

Deine Musik setzt sich mit den großen Fragen des Alltags auseinander, während du dir gleichzeitig eine gewisse Leichtigkeit bewahrst. Kannst du uns etwas mehr darüber erzählen, wie du es schaffst, anspruchsvolle Themen auf eine zugängliche und unterhaltsame Weise anzugehen?

Betti Kruse: „Einen Text zu schreiben ist für mich irgendwie immer ein Prozess. Eine Suche nach Bildern, die das, was mich bewegt, irgendwie am besten transportieren. Dabei versuche ich mir aber immer auch eine gewisse Direktheit zu bewahren. Ich persönlich bin nicht so ein Fan von Texten, die auf mich manchmal so wirken, als bescheinigen sie sich selber steigende Qualität mit schwindender Verständlichkeit. Das ist nicht mein Ding. Ich finde Niedrigschwelligkeit super gut und hoffe, dass meine Songs das haben. Juliane Werding ist eine Sängerin, die mich sehr geprägt hat. Ich glaube, dass ganz viele Menschen ihre Texte verstehen und fühlen können. (Beides finde ich sehr wichtig.) Und dabei behandelt Werding Themen wie Heroinsucht, Loslösen von der eigenen Mutter und Männer, die sie beim Kartenspiel nicht mit ihrem Machogehabe davon kommen lässt. Liebe ich. Ganz doll. Versteht mich nicht falsch. Ich habe eine Playlist mit Sad Songs, die super ist und die ich sehr brauche. Ich glaube, jede*r Künstler*in sucht sich ein bisschen eine Aufgabe, die zu einem selbst passt. Ich will (meistens) gute Laune verbreiten.“

Deine EP ist von verschiedenen Einflüssen geprägt, von James Last bis hin zu Motown. Welche Künstlerinnen und Künstler haben dich besonders inspiriert und wie spiegelt sich das in deiner Musik wider?

Betti Kruse: „Die musikalischen Einflüsse meines Produzenten und Co-Writers Taco van Hettinga und von mir fließen gleichermaßen in meine Musik ein. Die Motown-Sprache ist eine, mit der mich Taco angesteckt hat. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn sie verpasst meiner Musik so eine Lässigkeit, die ich voll genieße. Unsere Arrangements sind stark beeinflusst von Hildegard-Knef-Songs und auch der orchestralen Sprache von James Last und Bert Kaempfert zum Beispiel. Wenn wir die finanziellen Mittel hätten, würden wir gerne immer mit einem modernem Show-Orchester und Band auf die Bühne. Das ist leider noch nicht drin. Aber die Songs und die Arrangements geben das her. Der Vortragsweise von Hilde Knef ist auch eine Inspirationsquelle. Sie hat was extremes. Das empfinde ich als positiv. Sie kann total albern, leise, nachdenklich und laut sein. An einem Abend, das mag ich. Mich beeinflussen aber auch Künstler*innen von heute sehr: Die Lieder von Wir sind Helden und Judith Holofernes zum Beispiel, ebenso von der Band Mia. Ich mag, wie Trettmann schreibt, auch da höre ich immer sehr genau hin. Das gleiche gilt für Paula Hartmann. Das sind Einflüsse, die vielleicht nicht auf der ersten Ebene gleich zu hören sind, aber sie sind definitiv da. Dass mich Alltags-Geschichten und kleine feine Anekdoten aus der Nachbar*innenschaft sehr interessieren, ist sicherlich auch „Element of Crime“ verschuldet. Meine Liebe für Gags hat „Fettes Brot“ in den 00er Jahren trainiert.“

Mit dem Titel „Für alles gibt’s ne Lösung“ trägt deine EP eine ziemlich optimistische Botschaft. In einer Zeit, die von Unsicherheit und Veränderung geprägt ist, was möchtest du mit deiner Musik den Hörerinnen und Hörern vermitteln? Findest du für dich auch immer eine Lösung oder ist Verzweifeln auch mal erlaubt?

Betti Kruse: „Verzweifeln ist absolut erlaubt und ich glaube auch wichtig. Der Zweifel treibt mich persönlich immer wieder an, mich auf die Suche nach Leichtigkeit zu begeben. Meine Suche nach Leichtigkeit in der Musik, die ich höre, aber auch in der Musik die ich schreibe ist ein Coping-Mechanismus. Das hilft mir, klarzukommen und Dinge wieder in ein neues Licht zu rücken. Manchmal komme ich aber auch gar nicht klar. Mit mir und mit der Welt. Dann hilft es mir, zu schreiben. Dazu sei auch gesagt, dass ich nicht alle Songs veröffentliche. Und es gibt auch Themen, die sind so groß, komplex und ungerecht, denen kann mensch gar nicht mit Leichtigkeit begegnen. Das versuche ich dann auch gar nicht erst. Bei allem anderen schon. Und da hab ich dann auch Lust, diese Leichtigkeit ein bisschen zu verstreuen.“

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