Feature: Black Sea Dahu „I Am My Mother“
Black Sea Dahu „I Am My Mother“ Feature & Interview
Black Sea Dahu veröffentlichen das zweite Studioalbum „I Am My Mother“ und wir tauchen an dieser Stelle etwas tiefer in das Konzept der Schweizer Band um Janine Cathrein ein. Die Platte möchte wie ein Gewitter sein. Orchestral, stürmisch und so, dass wir voll und ganz davon fasziniert sind. Gerade mal sieben Songs sind auf der Platte enthalten, aber sie ist alles andere als kurzweilig. Eher imposant und drückend eindrucksvoll. Wenn man eines über das Album zu Beginn mit großer Sicherheit sagen kann, ist, dass es kein Album nach einfachem Konzept ist. Die Schönheit, die den Songs innewohnt ist komplex, eben nicht schwarz oder weiß.
Einmal im Monat gibt es eine Crewsitzung, der sogenannte D11 Gipfel (D für Dahu und die Zahl für Anzahl Anwesende), wo wir uns stundenlang organisieren. Diese Crewsitzungen geben uns da oft den nötigen Raum, um konstruktiv Konflikte zu besprechen.
Die Weitläufigkeit und akribische Arbeit für den Sound der neuen Songs waren maßgebend für die Platte. Die Ideen kamen schnell, mal auf Tour, mal so unterwegs. Kurz eingespielt und gespeichert dann am Smartphone oder am Laptop. Dass die Ausarbeitung der finalen Versionen, dann aber eine ziemlich intensive und zeitaufwendige Geschichte werden sollte, ist so gesehen wiederum irgendwie typisch für Black Sea Dahu. 23 volle Tage im Studio sollten folgen, ehe das Album wirklich fertig war. Für mich ist es hier umso erstaunlicher, das „I Am My Mother“ ein Album voller ehrlicher Songs ist, die ganz eindeutig zeigen, wie verletzlich man sein kann. Sich so nach außen zu kehren und sich von seiner verletzlichen Seite zu zeigen, birgt natürlich auch das Risiko, dass es schnell zu persönlich werden kann. Janine schreibt über die Demenz ihrer Großmutter („Glue“), die marode kaputte Welt, unsere Beziehung um Planet Erde („Human Kind“) oder aber auch über ihre rührende Aufarbeitung des eigenen Ichs durch die Anerkennung der Nuancen und Eigenheiten der Familie („I Am My Mother“). Grund genug also endlich Fragen an Janine zu stellen und uns noch tiefer in die Materie dieses Albums hineinzuarbeiten.
„I Am My Mother“ ist ein Album für Zuhörer*innen, die auf der Suche nach ihrer Identität und somit auch ihren Wurzeln sind. Inwiefern können die sieben neuen Tracks als Gesamtwerk identitätsstiftend sein?
Black Sea Dahu: Jedes Musikstück, das wir als Band herausgeben, bedeutet unsere Identität. Wir sind mittlerweile 7 Musiker*innen in dieser Band, eine gemeinsame Identität zu haben ist komplex und wandelbar, sie muss stets neu ergründet und definiert werden. Dennoch sagen wir mit jedem neuen Album: Hey, das sind wir, das ist Black Sea Dahu und wir klingen im Moment so. Wegen Heartbreak und der Covid-19 bedingten Isolation und Verzweiflung über abgesagte Tourneen wurde ich auf mich selbst zurückgeworfen. Es fühlte sich manchmal an wie in einem Haifischbecken voller Selbstzweifel, Einsamkeit und einer Grobheit mir selbst gegenüber. Mit dem Schreiben von Musik kam ich zur Ruhe und ich komponierte einen Song nach dem anderen. Durch die Musik und erlangte eine gewisse Geduld und ein Verständnis mir selbst gegenüber in dieser Zeit. Es gibt nichts was näher bei mir ist als diese Songs, ich bin dieses Album.
Wieso ist es überhaupt so wichtig seine Wurzeln zu finden und woher kommt dieser Drang?
Black Sea Dahu: Die Wurzeln zu finden, war mir weniger wichtig, viel eher habe ich mich gefragt: Kann ich mich akzeptieren? Kann ich mich verstehen? All meine Facetten, meine inneren Widersprüche und Mauern, meine Reaktionen, meine Beziehungs- und Verhaltensmuster, meine Ängste, meine Sprache? Woher kommt all das? Wie kann ich das akzeptieren und was kann ich durchschauen, verändern, was muss ich loslassen? Jedes gefundene Puzzleteil, jede Zentimeter Wurzel (wenn man so will) ist eine Chance, mich selbst besser zu verstehen.
Die einzelnen Elemente auf dem Album sind eigentlich ja nicht in einer Ruhe entstanden, sondern immer in den hektischen Phasen auf Tour, aus schnellen Notizen am Laptop. So rastlos klingt das aber in den Songs gar nicht. Logischerweise müsste “I Am My Mother” auch ein sehr situatives Album sein oder?
Black Sea Dahu: Wir haben rund ein Dreivierteljahr an den Songs gearbeitet haben bevor wir ins Studio gingen. Der Grundstein von Make the Seasons Change wurde schon vor ein paar Jahren gelegt, Glue habe ich in meinem Zimmer im Lockdown innerhalb von einem Tag geschrieben, Human Kind war ein Aufnahme-Fragment von vor 4 Jahren kombiniert mit einer neuen Idee, One and One Equals Four entstand hauptsächlich während Covid19 auf dem Flügel, der eine Zeit lang im Raum der Nachbars-Band stand, die erste I Am My Mother Aufnahme entstand auf Garageband irgendwann auf Tour, Affection war mein Ort der Ruhe inmitten eines Orkanartigen Heartbreaks inmitten der Covid-Krise, Transience fand ich alleine auf der Bühne sitzend vor dem Soundcheck… Die Entstehung der Songs sind nicht alle gleich und es stimmt, rundherum war immer wahnsinnig viel los. Wir waren immer auf Tour, andauernd, es gab nichts anderes mehr, das war mein Leben und ich war ja kaum noch zu Hause. Die Musik jedoch war und ist mein Ruhepol, auch wenn die Zeiten rastlos sind.
Gab es Momente an denen ihr an diesem visionären Projekt gezweifelt habt und wie habt ihr diese Zweifel überwunden?
Black Sea Dahu: Dies zu überwinden fängt bei Meditation, Yoga und gutem Essen an und hört bei monatlichen Bandsitzungen auf. Solch riesige Touren durchzuziehen verlangt uns extrem viel ab. Wir haben gemerkt, dass wir das längerfristig nicht aushalten, wir können dieses Tempo nicht halten in einem so kleinen Team, denn sonst sind wir mit 35ig alle ausgebrannt. Die Crew wurde um zwei Personen ergänzt (Tourmanagement, Tourproduktion) und wird in naher Zukunft sicher noch vergrössert, um uns zu entlasten. Wir bauen mehr Off-Days ein als früher, haben die Yogamatte, Therabänder und einen Fussball dabei und unsere eigene Kaffeemaschine im Anhänger eingebaut. Einmal im Monat gibt es eine Crewsitzung, der sogenannte D11 Gipfel (D für Dahu und die Zahl für Anzahl Anwesende), wo wir uns stundenlang organisieren. Diese Crewsitzungen geben uns da oft den nötigen Raum, um konstruktiv Konflikte zu besprechen.
Trotz dieser Akribie wohnt euren neuen Songs eine Spontanität inne. Gibt es Momente, auf denen ihr diese Zufälle immer noch spürt, wenn ihr die Songs hört?
Black Sea Dahu: Ich habe eine wundervolle Geschichte zum Take von I Am My Mother! Am Anfang haben wir diesen Wirbel aus Lärm gemacht (übrigens war das ein Heidenspass!!!) und bei jedem Take hat Nick als Startschuss etwas in den Raum hinausgerufen, immer etwas anderes: Kafi Crème! Tschau zeme! Hoi zeme! LG! Beim Take, wo er LG! ruft, hat Vera dann auf der E-Gitarre den ersten Ton total daneben gegriffen und Paul daraufhin eine völlig losgelöste, blubbernde Bass-Linie gespielt und eigentlich dachten alle ja gut, das war jetzt schon ziemlich schepps, wir brechen sicher gleich ab, oder nicht? Wir spielten bis zum Schluss und dieser crazy Anfang ist jetzt auf dem Album, wir feiern’s total!
Für mich sind die sieben Tracks der beste Beweis dafür, dass ohne Musik unsere Welt eine sehr stille und beängstigende Welt wäre. Wenn ihr die Wahl hättet, dass einer eurer neuen Songs, der letzte Song wäre, den ihr auf Erden hören könntet, welcher wäre das und wieso?
Black Sea Dahu: Glue. Das Lied klingt für mich, als würde man zusehen, wie sich die Erde dreht.
Konzerte in Deutschland (Auswahl):
19.03. Stuttgart – Wizemann
20.03. Frankfurt – Brotfabrik
22.03. Köln – Yuca
27.03. Berlin – Heimathafen
29.03. Dresden – Groovestation
05.08. Appletree Garden Fest.
16.10. Kiel – Hansa48
21.10. Nürnberg – MUZClub
22.10. Ulm – Roxy
24.10. München – Milla
29.10. Leipzig – UT Connewitz
06.12. Münster – Sputnik Café
08.12. Hamburg – Knust
11.12. Jena – Kassablanca