Feature: Tim Vicia
Tim Vicia – Zwischen Schmerz und Trost
Es gibt Künstler, die ihre Hörer:innen einfach nur unterhalten wollen. Und dann gibt es Tim Vicia – jemand, der sie wirklich berühren will. Der deutsche Musiker, der seinen Stil selbst als „Dreamo“ bezeichnet – eine Mischung aus Dream-Pop und emotionaler Ehrlichkeit – erschafft Songs, die gleichzeitig weh tun und heilen. Seine Musik ist ein Ort für alle, die sich manchmal verloren fühlen, aber trotzdem nicht aufhören wollen zu hoffen.
„Ich glaube, das passiert mehr oder weniger automatisch“, sagt Tim über den feinen Balanceakt zwischen Schmerz und Trost. „Wenn Leute das Gefühl haben, gesehen und gehört zu werden, dann ist diese Verbundenheit in dem Moment schon Trost.“ Für ihn steckt in Trauer immer auch Schönheit – eine Haltung, die seine Songs zu intimen Momentaufnahmen macht, in denen Melancholie nie zur Resignation wird, sondern zum Ausgangspunkt von Stärke.
In seiner Musik spricht Tim offen über Themen wie mentale Gesundheit, Versagensängste und Selbstzweifel. Doch anstatt sich in Selbstmitleid zu verlieren, schafft er Räume, in denen Verletzlichkeit erlaubt ist. „Ich zeige den Leuten auf, dass solche Dinge angesprochen werden dürfen und sollen“, erklärt er. „Ich bin kein Therapeut – aber ich will, dass sich Menschen verstanden fühlen.“
Das Songwriting ist für ihn ein Akt der Selbstwirksamkeit – „fast eine Katharsis“. Manchmal erzählt er dabei seine eigene Geschichte, manchmal die von Freund:innen. Diese Perspektivenvielfalt macht seine Texte universell: persönlich, aber nie verschlossen.
Seine Songs entstehen meist in seinem Schlafzimmer – seinem „Rückzugsort“, wie er sagt. Dort, zwischen Stille und Gedankenflut, formt sich der Sound, der ihn ausmacht: minimalistisch, nachdenklich, melancholisch, manchmal sphärisch. „Ich brauche diese Ruhe, um mein Innerstes aufzuschreiben“, sagt Tim.
Besonders schwer fiel ihm der Song „Sommernacht“, der von einer schmerzhaften Trennung erzählt. „Das Schreiben und gerade das Einsingen hat mich viel Kraft gekostet“, gesteht er. „Aber es war wichtig – ein Bekenntnis, das die andere Person verdient hat.“ Was Tim Vicia antreibt, ist ein Gefühl tiefer Empathie. Seine Musik richtet sich an jene, die sich „fehl am Platz“ fühlen, an die Underdogs, die oft übersehen werden. „Ich möchte meinen Zuhörer:innen sagen: Ich bin einer von euch“, sagt er. „Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist mein Safe Space, den ich für meine Community schaffen möchte.“ Dass diese Message ankommt, zeigt die wachsende Fangemeinde, die ihn für seine Ehrlichkeit feiert. Druck verspürt er dabei nicht – nur Dankbarkeit und Antrieb. „Ich wünsche mir, dass es so weitergeht und blicke da positiv in die Zukunft.“
Am Ende bleibt bei Tim Vicia vor allem eines hängen: das Gefühl, dass man mit seinem Schmerz nicht allein ist – und dass in jeder Dunkelheit auch ein kleiner Funke Licht glimmt.
Oder, wie er es selbst formuliert:
„Es geht immer weiter. No matter what.“
Hier geht es nun zum vollständigen Interview:
Deine Musik wird als „melancholisch und hoffnungsvoll zugleich“ beschrieben – traurig, aber tröstend. Wie gelingt dir dieser Balanceakt zwischen Schmerz und Trost in deinen Songs? Kann beides in einem Song vereint werden und wenn ja, wie ausbalanciert muss die Musik in deinen Augen sein?
Tim Vicia: „Ich glaube, das passiert mehr oder weniger automatisch. Wenn Sachen angesprochen werden, wenn Leute das Gefühl haben, gesehen und gehört zu werden, dann ist diese Verbundenheit in dem Moment schon Trost, denke ich. Ich zeige in meinen Tracks keine Strategien zur Heilung oder Resilienz an, ich bin kein Therapeut. 🙂 Aber ich zeige den Leuten auf, dass solche Dinge angesprochen werden dürfen und sollen. Ich finde, dass in Trauer auch Schönheit verborgen liegt. Ein Song, eine Melodie usw. kann sowohl schön, als auch traurig sein. Für mich ist das kein Widerspruch. Es balanciert sich sozusagen von selbst aus, was immer wieder schön zu beobachten ist.“
Du sprichst offen über deine mentale Leidensgeschichte und gesellschaftliche Versagensängste. Wie stark fließen diese persönlichen Erfahrungen in deinen kreativen Prozess ein – und hilft dir das Schreiben, Dinge zu verarbeiten? Bedeutet Schreiben gleich Verarbeiten für dich?
Tim Vicia: „Teils, teils. Es sind nicht nur meine eigenen Erfahrungen, über die ich singe. Manchmal ist es auch eine Geschichte, von der ich erfahren habe. Manchmal geht es um eine:n Freund:in, der bestimmte Dinge passiert sind. Aber natürlich ist das Songschreiben auch immer ein Stück weit Verarbeitung. Diese Selbstwirksamkeit ist das schon fast eine Katharsis, die man in sich walten lässt. Es ist ein sehr schöner Prozess.“
Dein Stil bezeichnest du selbst als „Dreamo“ – eine Mischung aus Dream-Pop und emotionaler Ehrlichkeit. Wie würdest du diesen Sound selbst beschreiben, und was unterscheidet ihn deiner Meinung nach von klassischem Indie-Pop?
Tim Vicia: „Ich würde diesen Sound als minimalistisch, nachdenklich, melancholisch, manchmal sphärisch, chillig beschreiben. Das Genre Indie Pop ist ja breit gefächert. Bei jede:m Indie Pop Künstler:in klingt es anders, was ich auch sehr spannend finde! Und die Grenzen bei all diesen Unterkategorien sind fließend. Deshalb glaube ich, dass sich meine Musik gar nicht so stark von klassischem Indie Pop unterscheidet. Oder vielleicht doch? Ich weiß es nicht. 🙂
Viele deiner Songs entstehen nicht im Studio, sondern im „Schlafzimmer“ – deinem ganz persönlichen Rückzugsort. Wie beeinflusst dieser intime Entstehungsraum deine Musik?
Tim Vicia: „In meinem Schlafzimmer bin ich für mich allein und habe dort die Ruhe, die Gedanken schweifen zu lassen und das intime und träumerische mit dem schön-traurigen zu verbinden. Zwar entstehen manche Teile meiner Lyrics auch mal während eines Waldspaziergangs oder wenn ich am Rhein sitze und den Wellen zuschaue. Aber ich habe gemerkt, dass erst wenn ich meine vollumfängliche Ruhe habe, dass ich dann auch mein Innerstes aufschreiben kann.“
Deine Texte wirken sehr nahbar & direkt, manchmal fast wie Briefe an dich selbst. Gibt es einen Song, der für dich besonders persönlich oder schwer zu schreiben war – und warum?
Tim Vicia: „Bisher am schwersten war definitiv „Sommernacht“. Dort singe ich von einer Trennung, die ich wirklich so erlebt habe – ein paar Jahre ist es her. Ich habe diese Trennung ausgesprochen, was im Nachhinein ein großer Fehler war. Zum Glück bekam ich später die Möglichkeit (und die offenen Ohren) mich zu entschuldigen, es ging alles gut aus. Aber das nochmal aufzuschreiben, war hart. Es war ein Bekenntnis, das die andere Person verdient hat und ich bin froh, dass ich den Song geschrieben habe. Aber das Schreiben und gerade das Einsingen hat mich viel Kraft gekostet.“
Wie würdest du einen Song an dich selbst in den ersten 1-2 Zeilen beginnen?
Tim Vicia: „Eine spannende Frage! Hmm. Wenn du mich das in 3-4 Monaten nochmal fragen würdest, wäre die Antwort bestimmt eine andere. Spontan vielleicht sowas wie „Du bist der, der am seidenen Faden hängt Eine Kerze, die von beiden Seiten brennt“
Du sagst, deine Musik soll das Gefühl vermitteln: „Du bist nicht allein.“ Was bedeutet dieser Gedanke für dich persönlich – und was wünschst du dir, dass Hörer:innen aus deinen Songs mitnehmen?
Tim Vicia: „Ich habe schon mein ganzes Leben lang einen soft-spot für die vermeintlich abgehängten meiner Mitmenschen. Die Underdogs, die weniger Beachteten. Für sie schlug und schlägt mein Herz. Ich wünsche mir, dass Leute, die sich manchmal so fühlen („fehl am Platz“) das mitbekommen und es ihnen dadurch ein wenig besser geht. Ich selbst fühle mich auch schon seit meiner Kindheit so. Ich möchte meinen Zuhörer:innen sagen: Ich bin einer von euch! Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl ist mein Safe Space, den ich für meine Community schaffen möchte. Schön wäre, wenn meine Hörer:innen mitnehmen: Es geht immer weiter. No matter what. Es gibt keine Alternative. Oder vielmehr: Es hat keine Alternative zu geben. Selbst wenn man schwere Zeiten durchmacht – irgendwann wird es immer besser. Auch wenn es dauert.“
Du hast bereits eine wachsende Community aufgebaut, die dich für deine Ehrlichkeit und emotionale Tiefe feiert. Wie gehst du mit dieser Resonanz um – motiviert sie dich oder setzt sie dich auch manchmal unter Druck?
Tim Vicia: „Für mich ist es durch und durch motivierend. Druck verspüre ich dabei bisher gar nicht, zum Glück. 🙂 Ich finde es unglaublich schön, wenn immer mehr Fans dazukommen und ich auch positives Feedback bekomme. Das ist so viel wert und das bedeutet mir unendlich viel. Ich wünsche mir, dass es so weitergeht und blicke da positiv in die Zukunft.“
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