Feature: The Menace of Tyranny
Indie-Band The Menace of Tyranny aus Lippstadt
Heute widmen wir uns mal wieder einer Newcomer-Band und die kommt mit The Menace of Tyranny aus Lippstadt. Musikalisch tummelt sich die Band irgendwo zwischen Rio Reisser und Thees Uhlmann. Das Gespann aus sieben Musiker:innen möchte trotzdem anders klingen. Ihre Songs nicht so konzipieren, wie das Indie-Bands sonst so machen. Einfach mal einen anderen Weg einschlagen. Dass sie beruflich alle keine Musiker sind und von ihren Day-Jobs leben müssen, tut der Musikalität keinen Abbruch. Vielleicht ist es ja auch ein Segen, weil so deutlich weniger Druck auf Erfolg und ausverkaufte Shows liegt. Mit „Wie man Herzen hält“ erschien das Debütalbum der Indie-Band aus Münster. 12 Tracks haben sie auf die Platte gepackt. „Dass man nur kann, was man auch tut.“ ist der erste Track, mit dem ich in Verbindung mit der Band komme.
Flott. Das war irgendwie mein erster Gedanke dazu. Anfangs war ich skeptisch, weil ich bei deutschsprachigen Bands mittlerweile wenig Hoffnung habe, dass da etwas Neues entsteht. Textlich sind sie sich dann doch oft zu ähnlich. Bei The Menace of Tyranny ist das jetzt natürlich keine Neuerfindung des Indie-Rads, das da vor uns liegt. Aber es liegt so viel Herz und Leidenschaft in ihren Songs.
Die Texte sind „messerscharf, bitterböse, verzweifelnd und vielleicht zuletzt ein klein wenig versöhnlich.“ Das stammt aus dem Pressetext der Band und ich fand es so trefflich, dass ich es übernehmen musste. Was mir sofort aufgefallen ist, auch bei einem Track wie „Man muss sich Münster als dunkle Stadt denken.“ ist dieses Schnörkellose. Sie verzichten komplett auf Bombast, Kitsch und romantische Ausschweifungen. Ein bisschen Gisbert zu Knyphausen blitzt in „Resümee in Niendorf.“ auf und man sitzt dann da und lauscht diesen Indie-Perlen.
Zum Release habe ich der Band einige Fragen gestellt. Wir sprechen über ihre Texte, das Album und ihren Stil Songs zu schreiben.
Ihr beschreibt euer neues Album als messerscharf, bitterböse und lyrisch-mystisch. Was steckt hinter diesem Konzept und wie habt ihr diese Atmosphäre musikalisch umgesetzt?
The Menace of Tyranny: „Oh, da sind natürlich ein paar kleine Anspielungen auf die Texte versteckt. Wir singen, was etwas untypisch ist für eine deutsche Indie-Band, gelegentlich etwas blutrünstig, fatalistisch und pathetisch. Auch wird vieles literarisch überhöht und mit Alltagsbeobachtungen gebrochen… und die Musik pumpt dazu eher ungewohnte Rhythmen und Riffs dazu. So ist „Man muss sich Münster als dunkle Stadt denken“ an rumpelige Balkan-Beats angelehnt, manchmal hört man die Gipsy Kings trommeln, die Gitarren sind oft überdreht und verspielt, der Bass zieht einen in den Song. Es ist also ein bisschen das Konzept, dass man zur Musik abgehen kann, wenn man sich treiben lassen will. Ist man eher nachdenklich fangen einen die Texte. Aber alles zieht einen in unsere kleine, etwas seltsame Welt.“
Der Titel „Wie man Herzen hält“ klingt vielversprechend und zugleich verletzlich. Welche Bedeutung steckt für euch hinter diesem Titel, und welche Themen ziehen sich durch das Album?
The Menace of Tyranny: „Frei nach Sven Regener könnte man vielleicht meinen, dass jeder Song unglückliche Liebe zum Thema
hat. Vordergründig sind es eben alles Dinge, die das Herz berühren. Eine Angststörung zum Beispiel, oder ein Autounfall wird da bearbeitet. Die Selbstzweifel bei einem einsamen Kneipenabend. Aber auch die großen Geschichten- der Moment, in dem Odysseus sich noch entscheiden konnte, auf große Fahrt zu gehen… und was leichte Mädchen, Macbeth und Napoleon damit zu tun haben. Vielleicht ist das aber auch eine Art Metapher. Und es spielt wohl auch in einer Kneipe, was uns sehr unpassend erschien. Dazu schmachtende Liebeslieder, Lieder übers Verlassen werden und Verlassen sein. Und immer wieder das Leitmotiv, immerhin heißen wir The Menace of Tyranny und haben somit auch einen mindestens gesellschaftskritischen Auftrag: Warum tut der Mensch sich an, was er sich eben nun einmal antut.“
Eure Texte scheinen eine besondere Rolle zu spielen, vor allem, da ihr euch von der neuen Sachlichkeit und der Hamburger Schule distanziert. Wie würdet ihr euren lyrischen
Stil beschreiben und was inspiriert euch beim Songwriting?
The Menace of Tyranny: „Die Mystik kommt vielleicht von Cohen, das Krude von Waits, das Schnoddrige von Marius, als er
noch gut war. Und dass wir schon mal einen Song von Element of Crime gehört haben…das merkt man vielleicht auch. Aber es ist recht eigenständige Musik und die hat Stuck an den viel zu hohen Decken dieser kleinen Altbauwohnung unserer Idee von Musik. Und dazu passt nicht dieses „Wir haben das nicht so gemeint“- Augenzwinkern der ironischen Musik aus Hamburg, oder gar Berlin. Wir sind mal sarkastisch, oder zynisch. Aber nicht ironisch. Wir haben das alles ganz anders nicht so gemeint.“
Ihr beschreibt eure Musik als eine Mischung aus kafkaesken, romantischen und gelegentlich phantastischen Elementen. Wie schafft ihr es, diese verschiedenen Welten
miteinander zu verbinden, ohne den roten Faden zu verlieren?
The Menace of Tyranny: „Die Musik in Deutschland braucht dringend wieder etwas Niveau. Wir bringen Figuren in unsere Songs, die man in unserem Genre nicht so erwartet, wir sind nur selten so selbstreferentiell wie der Koran, oder Isolation Berlin… sondern zitieren Dinge… etwa so wie Quentin Tarantino. Hier und da verbeugen wir uns vor den großen Meistern: Schreibern, Musikern, Textern. Das ist vielleicht
epigonisch. Aber das Eigene, was wir schaffen ist, dass wir den manchmal sehr westfälischen Alltag in unser sehr spezielles Setting einarbeiten. Und das ist bevölkert von recht seltsamen Wesen und Tieren, Geschichten vom Verrückt werden und von Marie. Es braucht schon viel Strategie, um in diesem kleinen Wahnsinn nicht den roten Faden zu verlieren.“
Mit eurem Debütalbum betretet ihr die Indie-Musikszene. Was erwartet ihr von diesem Release und wie möchtet ihr mit eurem Sound die Szene beeinflussen?
The Menace of Tyranny: „Wahrscheinlich wird „Wie man Herzen hält“ ein schöner Underground-Schnipsel sein, der die Szene
bereichert, weil ernicht irgendwelchen Trends hinter jagt, oder sich irgendwo anbiedert. Es will kluge Musik sein, die nicht algorithmisch versucht, irgendwelche Kennzahlen zum Spotify-Boost abzuarbeiten…sondern Dir wirklich das Gefühl gibt, dass es sich lohnt hinter die verschiedenen Ebenen und Fassaden der Songs zu schauen. Weil da wirklich was ist.“
Wenn ihr einen Song von eurem Album herauspicken müsstet, der die Essenz von „Wie man Herzen hält“ perfekt einfängt, welcher wäre das und warum?
Danke!