Feature: Nina Caroline

Nina Caroline – „Outsider“ und das Ankommen bei sich selbst

Nina Caroline im Interview zur EP; Credit: Levin Schön

Mit „Outsider“ veröffentlicht Nina Caroline ihre Debüt-EP – und liefert damit eines der stimmigsten und emotional offensten Indiepop-Releases des Jahres. Die Songs klingen international, melodisch treffsicher und erstaunlich gereift, ohne je den rohen Kern der 25-jährigen Künstlerin zu verlieren. Zwischen 80s-Synth-Flair, introspektiven Gitarrenmomenten und glasklaren Hooklines entsteht eine EP, die das Gefühl des Nicht-Dazugehörens nicht nur beschreibt, sondern hörbar macht.

„Dieses Bedürfnis, gesehen zu werden – und sich gleichzeitig unsichtbar zu fühlen.“

Der Titeltrack „Outsider“ bildet das Herz des Projekts: ein glitzernder, luftiger Indiepop-Song, der an Holly Humberstone erinnert und in dessen Refrain Nina gewissermaßen der Welt – und sich selbst – erklärt, wer sie ist. Als wir sie fragen, wann sie wusste, dass dies das Thema für ihr Debüt ist, erzählt sie:

„Ich war die Einzige auf der Schule, die Musik gemacht hat, und habe mich nie wirklich wohl gefühlt. Dieses Bedürfnis, gesehen zu werden für die Person, die man ist – und gleichzeitig so unsichtbar zu fühlen – das war immer da. In ‚Outsider‘ erkläre ich der Welt, wer ich bin. Und meinem jüngeren Ich.“

Diese Spannung zieht sich durch die gesamte EP: das Außen-und-Innen, die Stärke und die Unsicherheit, die Erschöpfung und der Mut, weiterzumachen. Dass Nina eine musikalische Frühstarterin ist, wissen viele: Mit elf Jahren gewann sie „Dein Song“, mit siebzehn ging sie nach England, studierte Musik und lernte dort zum ersten Mal, mit anderen Songwriter:innen zu arbeiten. Die meiste Zeit schrieb sie jedoch allein – bis sie 2025 auf Produzent Birk Buttchereyt traf. Ein Klick-Moment, wie sie sagt. Mit ihm fand sie endlich ein Soundbild, das sowohl ihre Indie-Folk-Wurzeln als auch ihre neu entdeckte Liebe zu 80s-Synths trägt.

Schwere Themen, leicht getragen

Tracks wie „Faking My Own Death“ oder „Bad Decisions“ zeigen eine andere Seite: drastische Bildsprache, Verlust, Depression, toxische Beziehungen. Und trotzdem klingen sie nie erdrückend. Gerade „Faking My Own Death“ bleibt hängen: ein Song, der im emotionalen Crescendo abrupt endet – ein künstlerischer Kommentar auf Beziehungen, die im Chaos explodieren und in plötzliches Schweigen kippen. Ihre Liebe zu zugänglichen, klaren Songs mit Tiefe zieht sich quer durch die EP. Diese Haltung erklärt, warum „Outsider“ so unmittelbar funktioniert: Die Songs haben Hooks, die hängenbleiben – aber niemals auf Kosten der Ehrlichkeit. Dass die EP erst der Anfang ist, spürt man deutlich. Die nächste ist bereits geschrieben, dazu Projekte wie Dreamboys – The Band und zahlreiche Feature-Anfragen.

Was sie sich für „Outsider“ wünscht?

„Ich hoffe, dass die Menschen mitnehmen, dass es okay ist, anders zu sein. Sich mal nicht wie der Main Character zu fühlen. Ehrlich mit sich selbst zu sein – das ist verdammt stark.“

Das ganze Interview kannst du hier lesen:

Nina, dein Debütalbum „Outsider“ erzählt sehr persönliche Geschichten – von Selbstzweifeln, Orientierungslosigkeit und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Wann war für dich der Moment, an dem du wusstest: Das ist das Thema, das ich auf meinem ersten großen Projekt verhandeln möchte?

Nina Caroline: „Ich habe mehrmals versucht über das Thema zu schreiben, aber ich habe es nie so richtig in Worte fassen können bis jetzt. Eigentlich fing es schon in der Schule an: ich war die Einzige auf der Schule, die Musik gemacht hat und wurde von meinen Mitschülern nie so wirklich verstanden bzw. habe ich mich nie wirklich wohl gefühlt dort. Das Thema hat sich über meine Uni bis zu den Anfang Zwanzigern gezogen und ich habe mich gefragt, warum ich mich immer noch so unwohl fühle bei Partys oder mich nicht gut genug fühle, an bestimmten Tischen zu sitzen. Dieses Bedürfnis gesehen zu werden für die Person die man ist und sich gleichzeitig so unsichtbar zu fühlen – das war immer da. In der Hook des Songs “Outsider” erkläre ich irgendwo der Welt wer ich bin – und mir selber auch. Das hat sich sehr befreiend angefühlt hat zu schreiben, auch weil ich das sozusagen gleichzeitig für mein jüngeres Ich getan habe.“

Du hast schon mit 11 Jahren den Wettbewerb „Dein Song“ gewonnen, bist mit 17 nach England gegangen, um Musik zu studieren – und hast seitdem viele Phasen durchlaufen. Wie haben dich diese Stationen als Songwriterin geprägt, und was hat sich zwischen der Nina von damals und der Nina von heute verändert?

Nina Caroline: „Der Song mit dem ich gewonnen habe war tatsächlich der zweite Song den ich überhaupt je geschrieben habe. Danach habe ich einfach weitergeschrieben, in meinem Zimmer für mich, hab höchstens hier und da mal Songs in einem Studio aufgenommen. In England war ich dann zum ersten Mal “gezwungen” mit anderen Leuten zu schreiben, was ich unglaublich unangenehm fand. Ich habe dann bei einem deutschen Verlag unterschreiben, die mir auch viele Sessions organisiert haben und ich habe diese Angst dann etwas in den Griff bekommen. Im Nachhinein finde ich es gut, weil ich dadurch viel gearbeitet habe und es eine gute Übung war, gerade auf Englisch mehr Vertrauen in mich zu entwickeln. Die “Dein Song” Zeit hat mir allgemein aber auch viel Selbstbewusstsein gegeben an Liedskizzen zu arbeiten und an mich zu glauben. Gleichzeitig hatte ich damals keinen realistischen Blick auf die Musikindustrie und es war auf jeden Fall ein großer Schock irgendwann zu merken, dass das meiste bei einer Solokarriere nicht so einfach geht, wie es mir damals vorkam. Ich bin jetzt glaube ich an dem Punkt, wo ich einfach erfüllt davon bin mit Menschen zu arbeiten, die einen guten Geschmack haben. Gute Instrumentalisten sind und keine Angst davor haben, für die Kunst zu leben. Ich bin jetzt in Berlin von vielen solcher Menschen umgeben, was schön ist und mich jeden Tag zu noch einer authentischeren und besseren Sängerin und Songwriterin macht.“

„Outsider“ wirkt musikalisch sehr geschlossen, aber gleichzeitig vielseitig – zwischen introspektiven Indie und leichten 80s-Synth-Pop-Vibes. Wie hat sich der Sound des Albums im Studio mit Birk Buttchereyt entwickelt? Gab es einen Song, der für dich die Richtung vorgegeben hat?

Nina Caroline: „Tatsächlich haben wir uns sehr weniger Referenzen bedient im Produktionsprozess. Der Titeltrack „Outsider“ war z.B. ursprünglich viel langsamer und melancholischer. Ich wusste aber sofort, dass ich da einen tiefen Synth Bass reinmachen möchte und die Gitarre kicken möchte, was sehr untypisch für mich ist. Aber der Song hatte einfach danach geschrien. Ich habe in der Studio-Zeit viel 80er Indie Musik gehört und großes Interesse an der Soundwelt von den Synthesizern entwickelt, was Birk mein Produzent atmet und lebt. Deswegen hört man glaube ich gerade bei diesem Song, dass er ein besonders gutes Match war für die EP.“

In Songs wie „Faking My Own Death“ oder „Bad Decisions“ sprichst du offen über schwierige Emotionen – Trennung, Verlust, Depression. Wie gelingt es dir, solche Themen so zugänglich und gleichzeitig so ehrlich zu verarbeiten, ohne dass es zu schwer wirkt?

Nina Caroline: „Ich glaube ich bin vom Typ zwar schon melancholisch, aber ich habe auch eine sehr positive Natur. Ich will über diese Themen reden, weil sie mich beschäftigen. Aber ich kann sich auch gut annehmen. Meistens erleichtert es mich, Dinge aufzuschreiben oder auszusprechen, denn dann fühlt es sich weniger schwer an. Ich finde auch, Schmerz mit etwas Humor zu nehmen schadet manchmal nicht.“

Du hast gesagt, dass du Songs magst, die „simpel und für alle verständlich“ sind, aber trotzdem Tiefe haben. Was ist für dich ein wirklich guter Pop-Song – und wann weißt du, dass ein Song fertig ist?

Nina Caroline: „Für mich ist ein guter Pop Song eigentlich immer einer guten Melodie geschuldet, womit ich meistens auch anfange. Wenn ich die nicht habe, schreibe ich meistens nicht weiter. Michael Jackson ist einer der besten Beispiele für guten Pop. Er hat meistens simple Lyrics gehabt, die aber trotzdem Tiefe haben, wenn man näher hinhört. Das fand ich schon immer bewundernswert. Wann ein Song fertig ist, weiß man glaub ich nie so ganz genau. Aber ich fühle es dann schon, wenn bei einem Song alles zusammenpasst. Und wenn ich dann noch Details verändere, sind es meistens Lyrics-Stellen.“

Mit „Outsider“ legst du den Grundstein für deine musikalische Identität. Welche Erwartungen hast du an dieses Debüt – und was wünschst du dir, dass die Menschen aus deiner Musik mitnehmen?

Nina Caroline: „Ich bin happy mit dieser EP endlich ein einheitliches und in sich stimmiges Projekt veröffentlicht zu haben. Mit einem Team von Leuten, die meine Musik verstehen und einem Produzenten, der sich die Zeit genommen hat mit mir in die Welt meiner Songs einzutauchen. Dafür allein bin ich schon sehr dankbar. Schön wäre es, wenn sich daraus ergeben könnte mit einer Band in Zukunft zu touren. Denn live spielen ist etwas, das ich sehr liebe. Leute auf Shows treffen, die mich als Künstlerin entdecken und meine Musik weiterverfolgen. Ich hoffe, dass sie aus meiner Musik mitnehmen, dass es okay ist anders zu sein. Sich mal nicht wie der main character zu fühlen und diese toxisch positive Brille abzunehmen. Ich finde es verdammt stark und mutig, ehrlich mit sich selbst zu sein und wenn ich jemanden mit meiner Musik dazu anstoßen kann, ist das sehr viel Wert.“

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