Feature: Lost in Lona

Lost in Lona „The Killer“: Wenn Ehrlichkeit wehtut und genau darin tröstet

Lost in Lona Feature; Fotocredit: Selina Seibel

Mit The Killer legen Lost in Lona ihr Innerstes frei. Nicht als große Geste, sondern mit einer stillen Konsequenz, die lange nachhallt. Lidia Beck und Konstantin Aebli, das Duo zwischen Basel und Zürich, sind auf ihrem neuen Album näher an sich selbst als je zuvor – und genau das macht diese Songs so eindringlich.

Schon der Titeltrack stellt eine Frage, die sich durch das gesamte Album zieht: Wie viel Druck hält man eigentlich aus, bevor etwas zerbricht? Zeilen wie „I waste my life most of the time“ treffen nicht, weil sie überzeichnet wären, sondern weil sie erschreckend vertraut klingen. Lost in Lona erzählen vom Jungsein in einer Welt, in der Effizienz, Erwartungen und Selbstoptimierung kaum Pausen erlauben. Von Überforderung, die sich einschleicht, von Beziehungen, in denen Anerkennung langsam versiegt, und von Entscheidungen, die sich nie ganz richtig anfühlen.

Im Interview wird deutlich, dass diese Offenheit kein kalkulierter Schritt ist, sondern ein notwendiger. Für Lidia ist das Hinschauen und Aufschreiben ein Werkzeug, um Gefühle überhaupt erst begreifbar zu machen – fast schon unvermeidbar. Konstantin beschreibt, wie sehr ihre enge Freundschaft den Raum schafft, in dem diese Ehrlichkeit entstehen kann. Die Songs sind Gespräche, die weitergeführt werden, nicht perfekt verpackt, sondern bewusst klar. Gerade weil sie nichts verstecken, bleiben sie offen für andere.

Stücke wie Looking For oder Disappointing Each Other kreisen um Anerkennung – um den Wunsch gesehen zu werden, ohne sich davon abhängig zu machen. Lidia spricht offen darüber, wie wichtig Wertschätzung in einer Branche ist, in der finanzielle Sicherheit selten ist, und gleichzeitig darüber, wie gefährlich es sein kann, Anerkennung zur einzigen Messlatte zu machen. The Killer verweigert einfache Antworten, hält Widersprüche aus und lässt sie stehen. Musikalisch bleibt das Duo nah und reduziert. Der Sound ist schlank, fast fragil, damit das Gefühl nicht verloren geht. Alles wirkt bewusst unaufgeregt – als würde jede zusätzliche Schicht die Ehrlichkeit verwässern. Songs wie Mathilda oder Hold On öffnen intime Räume, in denen es um innere Zerrissenheit und familiäre Muster geht, während The Movies das Album wie ein offenes Ende beschließt: kein Abschluss, sondern ein Innehalten.

Trotz der Schwere liegt in The Killer etwas Tröstliches. Vielleicht gerade, weil Lost in Lona Musik nicht als Ort für Lösungen begreifen, sondern als Tagebuch, als Raum zum Loslassen. Verletzlichkeit wird hier nicht ausgestellt, sondern geteilt – und genau darin liegt ihre Kraft. The Killer ist ein Album für all jene, die sich manchmal zu viel fühlen, zu müde, zu unsicher. Und ein leiser Beweis dafür, wie viel Nähe in schonungsloser Ehrlichkeit stecken kann.

Euer neues Album „The Killer“ klingt unglaublich ehrlich, fast schon schmerzhaft direkt. Wie schwer war es, beim Schreiben wirklich dorthin zu schauen, wo es weh tut – und diese Emotionen dann auch musikalisch festzuhalten?

Lost in Lona: „(Lidia) Ich denke, für uns ist das Hinschauen und darüber Schreiben eine Art Verarbeitung fast schon notwendig. Es ist für uns ein Werkzeug, um unsere Gefühle zu verstehen und zu reflektieren, und aus unserem Arbeitsflow nicht mehr wegzudenken. Somit wäre es fast schwieriger, nicht hinzuschauen, als umgekehrt.“

Viele Songs handeln von Druck, Überforderung und Erwartungen – Themen, die gerade in unserer Generation stark präsent sind. Gab es einen bestimmten Moment oder Auslöser, an dem euch klar wurde, dass ihr genau darüber schreiben müsst?

Lost in Lona: „(Lidia)Ein klares Indiz und auch Auslöser für dieses Gefühl war ein Moment, in dem ich gemerkt habe, dass sich jeder Tag, an dem ich nicht meiner selbstständigen Arbeit nachkomme, wie verschwendete Zeit anfühlte. Das Gefühl, immer effizient sein zu müssen, und dass eine Zugfahrt ohne Computer eine verlorene Stunde ist, wurde irgendwann so stark, dass ich mich mühsam umpolen musste, den Laptop auch mal zu Hause zu lassen. (Das schaffe ich allerdings immer noch viel zu selten.).“

„The Killer“ wirkt sehr persönlich, aber auch universell – als würdet ihr kollektive Gefühle aussprechen, die viele kennen. Wie schafft ihr es, so intime Themen in Songs zu
verwandeln, die trotzdem für andere offenbleiben?

Lost in Lona: „(Konstantin) Das passiert bei uns fast automatisch, weil wir beide beim Schreiben sehr nah an unseren eigenen Erfahrungen sind. Da wir beide auch eine sehr enge Freundschaft pflegen, reden wir sehr viel über die Themen, die auch in den Songs thematisiert werden. Diese Gespräche öffnen den Raum, in dem etwas Ehrliches entstehen kann. Gleichzeitig versuchen wir nicht unsere Geschichten in perfekte Metaphern zu verpacken. Und vielleicht macht gerade diese Klarheit es offen für andere. Wenn wir nicht versuchen etwas zu verstecken, finden Menschen oft ihre eigenen Details in den Worten wieder. Unser Ziel ist nie, eine universelle Botschaft zu schreiben aber wir merken, dass das Persönliche manchmal genau deshalb universell wirkt.“

In Songs wie „Looking For“ oder „Disappointing Each Other“ schwingt immer auch die Frage nach Anerkennung mit. Was bedeutet für euch „gesunde Anerkennung“ – sowohl als
Künstlerinnen als auch als Menschen?

Lost in Lona: „(Lidia) Ich denke, dass das Thema Anerkennung allgemein, aber auch speziell in unserer Branche eine der wenigen und gleichzeitig wichtigsten Formen der Entlohnung ist, die wir spüren. Da die finanzielle Lage für Künstler*innen oft sehr prekär ist, sind Anerkennung und Wertschätzung unserer Arbeit häufig unser Antrieb. Ich
finde jedoch, dass es sehr wichtig und gesund ist, diese nicht zur obersten Priorität zu machen. In der Kunst sollte man sich auf sich selbst verlassen und nur Dinge veröffentlichen, hinter denen man wirklich steht ohne eine bestimmte Reaktion zu erwarten.“

Eure Musik bewegt sich zwischen Intimität, Melancholie und Aufbruch. Welche Rolle spielt das Zusammenspiel zwischen euch beiden – Lidia und Konstantin – beim Schreiben und Produzieren dieser emotional so dichten Songs?

Lost in Lona: „(Konstantin) Unsere Dynamik, unsere Freundschaft ist wahrscheinlich der Kern von allem. Wir schreiben selten getrennt voneinander und versuchen immer, die aktuelle Stimmung und das, was in unseren Privatleben gerade brennt, direkt in Songs zu verwandeln. Wir suchen nach den Themen, die für uns persönlich gerade die grösste Dringlichkeit haben, und lassen uns von dem leiten, was emotional wirklich präsent ist. Beim Produzieren ist es ähnlich. Wir mögen es reduziert und nah, weil wir versuchen genau die Emotionen hörbar zu machen, die beim Schreiben entstanden sind. Wir halten den Sound bewusst schlank, damit das Gefühl dahinter nicht verloren geht. Am Ende geht es darum, diesen ersten Impuls und das Unverpackte so gut wie möglich zu bewahren.“

Trotz aller Schwere wirkt „The Killer“ tröstlich, fast wie eine stille Umarmung. Glaubt ihr, dass Verletzlichkeit in der Musik ein Weg sein kann, um anderen Halt zu geben – und vielleicht auch sich selbst?

Lost in Lona: „(Konstantin) Absolut. The Killer entstand in einer Zeit, in der emotional vieles in Frage stand. Lost in Lona ist für uns dabei nicht der Ort, an dem wir nach Antworten oder Lösungen suchen, sondern einer, an dem wir festhalten, was gerade in uns arbeitet. Fast wie eine Art Tagebucheintrag. Für die Antworten und Lösungen gibt es dann wiederum unsere Freundschaft. Schlussendlich ist Musik für uns ein Raum, in dem man loslassen kann, ohne sich erklären zu müssen. Und genau dieses Gefühl kann unglaublich viel Halt geben. Uns selbst genauso wie denen, die zuhören.“

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