Interview: Alicia Edelweiss „FURIE“

Zwischen Wut, Wasserfällen und Wirklichkeit – Alicia Edelweiss über ihr neues Album FURIE

Alicia Edelweiss im Interview; Fotocredit: Alex Gotter

Mit FURIE veröffentlicht Alicia Edelweiss ein Album, das sich wie ein Naturphänomen entfaltet: wild, unberechenbar, wunderschön. Zwischen orchestraler Opulenz, elektronischen Experimenten und tief empfundenen Emotionen arbeitet sich die Künstlerin durch persönliche Traumata, gesellschaftliche Erwartungen und musikalische Grenzen. Im Interview spricht sie über Natur als kreativen Kompass, Perfektion als emotionales Ziel – und über die „Furie“, die in ihr erwacht ist.

„Der Titel kam mir tatsächlich in einer Art Traum“, erzählt Alicia über den Ursprung von FURIE. Erst danach begann sie, sich intensiver mit dem Begriff auseinanderzusetzen – und fand in ihm ein Sinnbild für ihre eigene Entwicklung: „Es geht um Wut, aber auch um Freiheit und Entfesselung.“ Die Furie, die mythologische Göttin der Gerechtigkeit, ist für sie heute eine Kraftquelle – ein Zeichen dafür, dass sie gelernt hat, sich zu verteidigen und ihrer Intuition zu vertrauen.

Auch musikalisch zeigt sich Edelweiss entfesselt: Wo frühere Werke oft in die Folk-Schublade gesteckt wurden, wendet sich FURIE einer deutlich experimentelleren Pop-Ästhetik zu. Opulente Arrangements, elektronische Elemente und organische Field Recordings formen ein Klangbild, das sich keiner Konvention beugt. „Ich habe kein Interesse daran, ein Album zu machen, das ‚gut genug‘ ist. Ich habe wirklich höhere Ansprüche an mich und meine Musik“, sagt sie. Perfektion bedeutet für sie nicht makelloser Sound, sondern emotionale Wahrheit – spürbar, wenn der Take Gänsehaut auslöst.

Naturgeräusche – etwa aufgenommen mit einem Unterwassermikrophon – sind auf FURIE nicht nur akustisches Spiel, sondern Metapher und Medium zugleich. „Ich finde es extrem spannend, lauschen zu können, wie anders es in unterschiedlichen Gewässern klingt“, sagt sie, „und Field Recordings in einen komplett anderen Kontext zu holen.“ Wie ein Wasserfall, der Knochen bricht – so fühlt sich ihre Musik manchmal an. Verletzlich und kraftvoll zugleich.

Das ganze Interview mit Alicia Edelweiss – ungekürzt:

Dein Album FURIE arbeitet mit vielen Naturelementen – sowohl klanglich als auch metaphorisch. Welche Rolle spielt die Natur für dich beim Musikmachen, und was bedeutet sie dir als Ausdrucksform?

Alicia Edelweiss: „Ich würde sagen, dass die Natur für einige Lieder eine große Inspiration war, bei manchen weniger. Bei Liedern wie „Tecco“, „The Fall, the Fly and the Water“ oder „Untold Heights“ spielte die Natur zum Beispiel eine tragende Rolle. Ich denke schon, dass auch die Art wie ich manchmal singe und manche Arrangements der Lieder viel mit Naturgewalten zu tun haben, ich denke manchmal an den Spruch „Wie ein Wasserfall der Knochen bricht“. Aber grundsätzlich inspiriert mich auch sehr das Draußensein, auf der Straße zu sein, neue Orte und Menschen kennenzulernen – das sehe ich auch als Natur. Grundsätzlich hilft mir die Natur (im herkömmlichen Sinne) meistens, mich wieder näher zu mir selbst zu bringen, wenn ich mich von mir selbst abgespalten fühle, und dadurch bin ich dann auch wieder in einer besseren Position, von wo aus ich Kunst machen kann. Wie ich mir ein Unterwassermikrophon besorgt habe, hatte ich schon lange nicht mehr so viel Spaß. Es ist extrem spannend, lauschen zu können wie anders es in unterschiedlichen Gewässern klingt und was da unten eigentlich alles abgeht.“

Die Furie als Symbol ist kraftvoll, wild und unangepasst – wie kamst du zu diesem Titel, und inwiefern spiegelt er deine persönliche Entwicklung wider?

Alicia Edelweiss: „Mir kam der Titel tatsächlich in einer Art Traum. Ich hab mich erst danach mehr mit dem Titel auseinandergesetzt, wo mir schon klar war, dass das Album so heißen wird. Was ich sehr spannend fand, ist, dass die „Furien“ in der griechischen und römischen Mythologie die Göttinnen der Rache und Gerechtigkeit waren. Aber ich denke bei dem Wort größer, es geht um Wut, aber auch um Freiheit und Entfesselung. In den letzten Jahren habe ich ziemlich viel mitgemacht, und die Furie in mir, die gerade stärker wird und für mich auf die Zukunft weist, wird nun alles dafür geben, dass mir diese Sachen nicht mehr passieren – und dass ich mich nun besser verteidigen kann und noch besser auf meine Instinkte höre. Mein Ziel ist es, auszubrechen aus der Scham über weibliche Wut, weil mir mein Umfeld oft das Gefühl gegeben hat, dass es nicht okay ist, sie zu zeigen.“

Was bedeutet „Perfektion“ für dich als Künstlerin?

Alicia Edelweiss: „Ich sehe mich als Perfektionistin in dem Sinne, dass es einen erreichbaren Punkt für mich gibt, wo etwas „perfekt“ ist, und diesen Zustand strebe ich in meiner Kunst an. Für mich bedeutet das, dass die Emotion real ist. Ob sie echt ist, weiß ich oft, wenn ich beim Einsingen des Takes Gänsehaut habe. Perfektion hat für mich kaum etwas mit einem polierten Pop-Sound oder einem makellos gesungenem Take zu tun. Ich habe wirklich höhere Ansprüche an mich und meine Musik. Gerade wenn ich weiß, dass es möglich ist, werde ich es versuchen. Ich versuche aber auch, diese ganzen mentalen Hürden beim Produzieren auszublenden – wie „man braucht den idealen Raum, die ideale Akustik“… Das hat mich früher blockiert, heute gehe ich freier ran.“

Du nennst FURIE „maximalistischer“ als dein erstes Album – war dieser Wunsch nach Opulenz eine bewusste Gegenbewegung zu Minimalismus oder hat sich das organisch entwickelt?

Alicia Edelweiss: „Beides würde ich sagen. Einerseits war es eine Entscheidung, mehr zu machen als beim letzten Album, gleichzeitig hat es sich auch organisch entwickelt. Ich wusste eine ungefähre Richtung, aber keine Ahnung wie die Lieder am Ende klingen würden. „Untold Heights“ zum Beispiel wollte ich eigentlich schon aufs letzte Album geben, hatte aber das Gefühl, dass es viel mehr braucht. Ich war damals auch noch nicht bereit, hatte noch nicht die Erfahrung, wie man eine fette Produktion macht.“

Was bedeutet für dich „zeitgenössisch“ – musikalisch wie gesellschaftlich?

Alicia Edelweiss: „Ich wurde etwas gegen meinen Willen in Schubladen wie „Folk“ oder „Worldmusic“ gesteckt. Ich sehe mich selbst jedenfalls mehr in der Indie- und Pop-Welt, auch wenn meine Musik manchmal zu idiosynkratisch für den Mainstream ist. Zeitgenössisch bedeutet für mich: in die Zukunft denkend, etwas Ungehörtes schaffen, ohne zu vergessen, wo die Einflüsse herkommen. Und: keine Fast-Food-Musik machen, sondern Werke, die in die Tiefe gehen.“

Was reizt dich daran, dich bewusst gegen das klassische 3-Minuten-Format zu stellen?

Alicia Edelweiss: „Es ist nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung. Die Lieder entstehen, und wenn ich nicht das Gefühl habe, dass sie kürzer besser wären, dann kürze ich sie nicht. Ich mag lange Lieder, ich mag lange Filme, ich mag komplexe Werke mit überraschenden Wendungen – alles, was sich neu und am Anfang etwas fremd anfühlt. Und grundsätzlich ist mir vor allem wichtig, dass ich auf das, was ich kreiere, stolz bin – und dass es mir gefällt.“

Live:

14.06. Stadt Haag (AT) – Verein ENT
05.07. Krems (AT) – Walking Concert
17.07. Rankweil (AT) – Musik im Park
18.07. Waiblingen (DE) – Kulturhaus Schwanen
19.07. Koblenz (DE) – Horizonte Festival
20.07. Dresden (DE) – Palais Sommer am Neumarkt
30.08. Lindau (DE) – Zeughaus
17.10. Ebensee (AT) – Kino Ebensee
18.10. München (DE) – Milla

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Leave a Reply Text

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bestätige, dass du kein Computer bist. * Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.